Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
der Nacht zuvor verwendet hatte; bei seinem echten Geständnis auf dem zugigen Balkon ihrer Wohnung, bevor sie sich darangemacht hatten, sich sein falsches Geständnis zurechtzulegen, das sie heute Abend den beiden FBI-Agenten vorgespielt hatten. Doch nun waren sie wieder zwei Privatpersonen, ein Ehepaar.
»Dann haben wir geheiratet, und ich hatte es dir immer noch nicht gesagt. Es war das Allerletzte. Ich gebe es zu – es war das Allerletzte, mich so zu verhalten.«
Dexter lächelte kaum merklich. Ein winziges Zugeständnis.
»Und nach Jakes Geburt …« Kate hielt inne und fragte sich, wie viele Details sie preisgeben sollte, wie umfassend ihr Geständnis sein musste, damit es diese Bezeichnung verdiente; damit sie selbst endlich Ruhe fände. »Nach seiner Geburt habe ich mich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und bin Analystin geworden. Ich habe meine Tage am Schreibtisch zugebracht. Natürlich hast du keine Ahnung, was das bedeutet. Aber es ist … es ist, als wärst du plötzlich nicht mehr Stürmer auf dem Feld, sondern würdest auf der Reservebank sitzen und müsstest zusehen, wie andere die Tore schießen.«
Dexter lächelte leicht gequält, doch er schien immer noch nicht in der Lage zu sein, etwas zu sagen.
»Im Grunde habe ich meine Karriere in die Tonne getreten. Aber ich bin trotzdem dabeigeblieben. Wir brauchten das Geld und die Krankenversicherung, die du in absehbarer Zeit nicht für uns hättest aufbringen können.«
Dexter verzog das Gesicht. Diese Bemerkung war unnötig gewesen. Zum Glück gab es in Luxemburg eine staatliche Krankenversicherung, die sich jeder leisten konnte.
»Jedenfalls«, fuhr sie fort, »hat sich einfach nie die Gelegenheit geboten, es dir zu sagen.« Kate war sich nicht sicher, was in ihm vorging – ob er wütend, traurig, bestürzt oder schlicht und einfach schockiert war. Erst viel später sollte sie erfahren, dass Gleichmut die einzige Reaktion war, zu der er fähig war. Er hatte nie gelernt, wie man mit dieser Art offener Konfrontation umging. Verschlagenheit lag nicht in seinem Naturell, er legte diesen Wesenszug nur wegen der Umstände an den Tag.
»Als wir hierhergezogen sind, habe ich natürlich gekündigt. Aber weshalb hätte ich dir zu diesem Zeitpunkt noch die Wahrheit sagen sollen? Wie auch? Ich hatte dich zehn Jahre lang belogen. Und nun hatte das Lügen endlich ein Ende. Ich hatte allen Grund zu glauben, dass es mit jedem Tag an Bedeutung verlieren würde. Weshalb hätte ich es also noch zugeben sollen? Was hätte es gebracht? Ein riesiger Nachteil ohne einen einzigen Vorteil. So hast du es, glaube ich, einmal beschrieben, als du mir den Namen deines – nicht existierenden – Auftraggebers in Luxemburg nicht verraten wolltest.«
Dexter starrte ins Leere.
»Aber das war ein Fehler, Dexter. Das weiß ich jetzt. Ich hätte irgendwann eine Möglichkeit finden müssen, es dir zu sagen. Aber ich habe es nun mal nicht getan.« Sie versuchte, einen flehenden Ausdruck in ihre Augen zu legen.
Ein Lächeln spielte um Dexters Lippen. Ein Lächeln voller Nachsicht, Überheblichkeit und Herablassung. Ein Lächeln, das jemand aufsetzte, wenn er eine wichtige und aufrichtige Entschuldigung annimmt. Ein Lächeln voller Milde, gepaart mit Arroganz. Ein Lächeln, das sagt: Ich bin bereit, dir zu vergeben, aber das hat seinen Preis. Du schuldest mir etwas.
Zumindest war dies die Botschaft, die Kate in diesem Moment darin las.
In Wahrheit war es ein grenzenlos erleichtertes Lächeln, doch das sollte sie erst anderthalb Jahre später herausfinden. Das Lächeln eines Menschen, der endlich aufhören konnte, so zu tun, als hätte er keine Ahnung von etwas, wovon er bereits lange Zeit wusste.
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Wie üblich begann es zu regnen, zuerst nur ganz leicht, doch wenig später prasselten dicke, schwere Tropfen auf das gläserne Schiebedach ihres Audis.
Die Scheinwerfer eines Wagens blendeten Dexter einen Moment. »Und was hast du genau gemacht?«
»Meistens habe ich mich mit irgendwelchen Leuten getroffen«, antwortete Kate. »Ich habe sie ermutigt, Dinge für uns zu tun, die wir – die USA oder zumindest die CIA – wollten. Ich habe sie dazu überredet.«
»Und wie?«
»Mit Geld und Informationen. Ich habe ihnen geholfen, sich zu organisieren. Manchmal habe ich ihnen auch mit Konsequenzen gedroht, wenn sie nicht kooperieren wollten.«
»Zum Beispiel?«
»Meistens damit, dass sie etwas nicht bekämen, was sie unbedingt haben wollten. Geld, Waffen
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