Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
wir eines Tages ganz schnell verschwinden müssen.«
»Weshalb sollten wir ganz schnell verschwinden müssen?«
»Falls sie kurz davor sind, mich zu schnappen.«
»Aber du sagtest doch gerade, dass das nicht passieren wird.«
»Trotzdem. Ich war der Ansicht, ich sollte Vorkehrungen treffen.«
Kate wurde den Verdacht nicht los, dass seine Vorkehrungen sich hauptsächlich gegen sie gerichtet hatten. Was das Thema Überwachungskamera wieder aufbrachte. Sie war sich nicht sicher, wie weit sie gehen sollte. Wie groß ihr Drang war herauszufinden, ob Dexter die Aufnahme in seinem Büro gesehen hatte. Und ob er infolgedessen Rückschlüsse auf ihr eigenes Gewirr an Lügen und Heimlichkeiten ziehen könnte. Nach wie vor klammerte sie sich verzweifelt an ihre Geheimnisse.
»Ist dein Büro etwa nicht sicher?«, fragte sie.
»Doch, sehr sogar.«
»Hast du eine Überwachungskamera?«, bohrte sie weiter, unfähig, sich zu beherrschen, nachdem sie den ersten Schritt gemacht hatte.
Seine Miene verriet nichts. »Ich habe eine Videokamera gekauft.«
Ihr Herzschlag setzte aus.
»Aber ich bin nie dazu gekommen, sie an meinen Computer anzuschließen.«
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Dexter wusste es also nicht.
Wovon hatte er sonst noch keine Ahnung?
Dexter hatte keine Ahnung, dass Kate seinen Schlüsselring gestohlen hatte. Er wusste nicht, dass sie in sein Büro eingebrochen war und seine Sachen durchsucht hatte. Er wusste nicht, dass sie ihn schon im Verdacht gehabt hatte, bevor Julia und Bill ihr alles erzählt hatten. Er wusste nicht, dass Kate auch Bill und Julia verdächtigt hatte. Er wusste nicht, dass Kate in Bills falsches Büro eingebrochen war, dass sie mit Kollegen aus der Firma in Kontakt gestanden hatte – mit einem alten Freund in München und mit zwei Männern in Berlin und Genf, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Er wusste nicht, dass Kate bis vor wenigen Wochen die beiden FBI-Ermittler noch für gefährliche Attentäter gehalten hatte.
Und er wusste nicht, dass seine Frau für die CIA gearbeitet hatte.
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Es war immer noch stockdunkel, trotzdem nahm der Verkehr allmählich zu. Immer mehr Autos, Busse und Laster fuhren vorbei.
»Deine letzte Geschäftsreise nach London, direkt vor Weihnachten … Warst du dort, um Marlena auszuzahlen?«
»Ja.«
»Wie viel?«
»Zwanzigtausend Pfund.«
»Nicht allzu viel, oder?«
»Stimmt. Das war Absicht. Ich habe ihr genug gegeben, damit sie den Job erledigt, aber nicht so viel, dass sie das Gefühl bekommt, sie sei an etwas ganz Großem beteiligt. Ich dachte, mehr Geld bedeutet nicht automatisch auch mehr Sicherheit, sogar eher im Gegenteil.«
Kate konnte über Dexters Menschenkenntnis nur staunen. »Und was wurde aus Marlena nach eurer … äh … wie soll ich es bezeichnen?«
»Operation?«
»Okay, Operation. Was ist danach aus ihr geworden?«
»Sie hat sich noch einmal mit dem Colonel getroffen, den nächsten Termin dann aber abgesagt. Sie ist untergetaucht, aber in der Stadt geblieben, für den Fall, dass etwas schiefgelaufen wäre und sie das Ganze noch einmal hätte anleiern müssen. Sie hatte sich auch schon eine plausible Ausrede zurechtgelegt – ein anderer Freier sei auf sie losgegangen, deshalb hätte sie schreckliche Angst gehabt, aus dem Haus zu gehen. Ich habe sogar einen Typen gefunden, dem wir das Ganze in die Schuhe hätten schieben können.«
»Du hast an absolut alles gedacht, was?«
»Ja.«
»Also ist die Sache zwischen dir und ihr erledigt?«
»Ja.«
»Aber sie lebt noch.«
»Ich weiß, was du jetzt denkst.«
»Und?«
»Sie ist nicht über das volle Ausmaß informiert, sie weiß nur, dass sie ein Teilchen in einem Puzzle ist.«
»Trotzdem.«
»Ich habe massenhaft Beweise gegen sie in der Hand. Beweise dafür, dass sie sich mehrfach strafbar gemacht hat.«
»Sie könnte doch gegen dich aussagen, wenn ihr im Gegenzug Straffreiheit gewährt wird, oder nicht?«
»Die Liste ist ziemlich lang. Und einige der Verbrechen sind nicht gerade Bagatellen.«
»Trotzdem.«
»Ja«, sagte Dexter mit einem Anflug von Verzweiflung in der Stimme. »Du hast ja recht. Es besteht eine winzige Chance, dass sie eines Tages als Druckmittel gegen mich verwendet wird.« Er sah Kate fest in die Augen. »Aber was soll ich dagegen tun?«
Kate hielt seinem Blick stand. Es lag etwas darin, was sie förmlich herauszufordern schien, laut auszusprechen, was sie gesagt hätte, wäre sie heute noch die Frau, die sie früher einmal gewesen war.
Bring sie um, hätte diese
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