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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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Spätherbstnachmittags.
    »Sie gehören also zum FBI«, sagte Kate. Aus reiner Neugier hatte sie noch einmal im Ehemaligenbüro der Universität von Chicago angerufen und sich danach mit dem Dekan verbinden lassen, der ihr widerstrebend eine alte Adresse der Eltern von William Maclean gegeben hatte. Nach einigen Versuchen hatte Kate sie in Vermont aufgestöbert und Luisa Maclean an die Strippe bekommen, die ihr erzählt hatte, ihr Sohn Bill habe im Sommer nach dem Collegeabschluss auf einer der engen, kurvigen Straßen im Cinqueterre die Kontrolle über seine gemietete Vespa verloren und sei gegen eine Steinmauer geprallt. Die Mauer hatte die Fahrt des Mopeds gebremst und hatte es in einen Trümmerhaufen verwandelt, und Bill war über die niedrige Mauer katapultiert worden und zweihundert Meter in die Tiefe gestürzt.
    Bill Maclean war im Juli 1991 ums Leben gekommen.
    »Ja«, sagte Hayden.
    »Ich muss herausfinden, was sie hier zu suchen haben.«
    »Wieso? Jetzt, wo du weißt, dass sie keine Verbrecher sind, brauchst du dir doch keine Sorgen mehr wegen deiner … Schätze zu machen. Und sie werden auch niemanden im Palais ermorden und einen riesigen Verkehrsstau verursachen. Wieso solltest du also weitergraben?«
    In diesem Augenblick wurde ihr bewusst, dass sie den Macleans nachspionierte, um nicht genau dasselbe mit ihrem Mann zu tun: Einen Feind von außen heraufbeschwören und ihn dämonisieren ist, wie jeder Politiker weiß, weitaus zweckdienlicher, als sich den tatsächlichen Feinden zu stellen.
    »Weil sie ständig um mich herum sind«, antwortete sie.
    Einen Moment lang herrschte vielsagendes Schweigen in der Leitung – eine wortlose Übereinkunft, die Unterhaltung zu umgehen, die keiner von ihnen führen wollte. Eine Unterhaltung, die unweigerlich mit Haydens Frage »Hast du irgendetwas vor ihnen zu verbergen?« beginnen würde.
    »Okay«, sagte er. »In Genf gibt es jemanden, mit dem du reden kannst. Kyle.«
    Genf. Hayden erklärte ihr, wie sie Kontakt zu ihm aufnehmen konnte, doch Kates Gedanken kreisten um die Frage, wie um alles in der Welt sie es bewerkstelligen sollte, sich von ihrer Familie loszueisen, um nach Genf zu fliegen.
    Früher hatte sie das jeden Tag getan, war unter dem Vorwand, an einer Konferenz in Atlanta teilzunehmen, nach Mexiko-Stadt oder Santiago de Chile geflogen. Aber damals war Dexter auch noch nicht derjenige mit dem unvorhersehbaren und zeitintensiven Job gewesen. Damals hatte sie noch die Freiheit gehabt zu gehen, wohin sie wollte oder musste.
    »Ich …« Sie hielt inne, um nicht sagen zu müssen, dass es höchstwahrscheinlich Wochen dauern würde, bis sie es schaffte, nach Genf zu fliegen.
    »Ja?«, fragte Hayden.
    »Was ist mit Paris? Oder Brüssel? Oder Bonn?« Orte, die sie innerhalb eines Tages mit den Jungs erreichen konnte. Sie würde Dexter einfach erzählen, dass sie eine Auszeit brauchten.
    »Der Mann sitzt aber in Genf.«
    »Aber«, sagte sie, »ich kann nicht nach Genf fliegen.« Dieses demütigende Gefühl war ihr nur allzu vertraut. Es war dasselbe wie damals als Teenager, als sie ihren Freundinnen hatte sagen müssen, dass sie abends nicht ausgehen konnte, dass sie zu Hause bleiben musste, um sich um Dads Kolostomiebeutel zu kümmern und Moms wund gelegene Stellen zu versorgen. Die Peinlichkeit, zugeben zu müssen, dass man nicht unabhängig und Herr über seine eigenen Entscheidungen war. »Zumindest nicht sofort.«
    »Dein Terminkalender ist deine Angelegenheit.«
    »Gibt es keine Möglichkeit, das Ganze digital zu erledigen?«
    »Natürlich gibt es die. Wenn du ihn kennen würdest und er dir vertrauen würde und du für eine sichere Leitung garantieren könntest. Aber nichts von all dem trifft im Moment zu. Deshalb – nein.«
    »Okay«, sagte sie. »Ich habe eine Frage, die dir vielleicht seltsam vorkommt. Könnte es sein, dass sie hinter mir her sind?«
    »Nein.«
    Kate wartete einen Moment, doch er machte keine Anstalten, eine weitere Erklärung zu liefern. »Woher weißt du das?«
    »Wenn jemand hinter dir her wäre, dann wären wir es«, sagte Hayden. »Genauer gesagt, ich.«
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    Am Morgen fuhr sie Dexter zum Flughafen, wo er sich einen Mietwagen nahm und nach Brüssel fuhr. Abends kehrte er zurück, gerade noch rechtzeitig zum Abendessen, geistesabwesender und distanzierter denn je. Er schaffte es kaum, sich auf die Unterhaltung am Tisch zu konzentrieren. Vielleicht hatte er ja mittlerweile verlernt, wie es war, mit der Familie am Tisch zu

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