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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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anrief, in die er höchstwahrscheinlich fuhr, um fiesen Typen zu helfen, ihr Geld verschwinden zu lassen. Oder was auch immer er sonst tat, das ihn zwang, seine Frau zu belügen.
    Kate seufzte. Sie war genervt von den Kindern und sauer auf Dexter. »Gut«, sagte sie und wandte den Kindern den Rücken zu. »Alles bestens.«
    »Wirklich? Du klingst so …«
    »Wie?«
    »Keine Ahnung.«
    Sie sah aus dem Fenster zum Himmel hinauf. Das trübe Tageslicht ging nahezu unmerklich in die abendliche Dunkelheit über.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Natürlich war nicht alles in Ordnung, aber was sollte sie über diese unsichere Leitung schon sagen? »Ja«, antwortete sie mechanisch – eine einzelne Silbe, die signalisieren sollte, dass das Thema damit beendet war. »Wann kommst du wieder zurück?«
    Pause. »Ach ja. Also …«
    »Herrgott noch mal.«
    »Ich weiß, ich weiß. Es tut mir auch wahnsinnig leid.«
    »Morgen ist Thanksgiving, Dexter. Thanksgiving.«
    »Das stimmt, aber die Leute, für die ich arbeite, kennen kein Thanksgiving. Für sie ist morgen ein ganz normaler Donnerstag.«
    »Kann das, was du da tust, denn nicht warten?«, fragte sie. »Kann das nicht jemand anders erledigen?«
    »Mir gefällt das doch genauso wenig wie dir.«
    »Behauptest du zumindest.«
    »Was soll das denn heißen?«
    Wieso beschwor sie einen Streit herauf? »Gar nichts.«
    Stille.
    Sie wusste genau, wieso: weil sie sauer war, weil das FBI und Interpol aus irgendeinem Grund hier waren, der etwas mit ihr zu tun hatte, weil sie in der Vergangenheit eine fatale Fehlentscheidung getroffen hatte, die sie für den Rest ihres Lebens verfolgen würde, und weil ein ganz bestimmter Mensch, dem sie vorbehaltlos vertraut hatte, sie schamlos belog.
    Vielleicht wollte er sie mit dieser Lüge auch nur schonen. Und vielleicht hatte die Tatsache, dass er log, in Wahrheit auch gar nichts mit ihrer Wut zu tun. Schließlich hatte er sie nicht zu dieser Karriere gezwungen, die sie an ihre moralischen Grenzen brachte. Er hatte sie nicht gezwungen, all die Jahre sorgsam ihr Geheimnis zu bewahren. Er hatte sie nicht gezwungen, Kinder zu bekommen, ihren Ehrgeiz zu opfern und am Ende ihren Job hinzuschmeißen. Er hatte sie nicht gezwungen, ins Ausland zu ziehen. Er hatte sie nicht gezwungen, sich den ganzen Tag um die Jungs zu kümmern, zu putzen und einkaufen zu gehen und zu kochen und die Wäsche zu machen. Er hatte sie nicht gezwungen, allein zu sein.
    »Kann ich mit ihnen reden?«, fragte er.
    Ihr lagen verschiedene scharfe Bemerkungen auf der Zunge, doch sie verkniff sie sich. Vielleicht belog Dexter sie ja gar nicht, vielleicht hatte er es nie getan.
    Sie ließ das Telefon fallen, als wäre es ein schimmeliger Pfirsich.
    »Ben!«, rief sie. »Jake! Euer Vater ist am Telefon.«
    Ben kam sofort angelaufen. »Aber ich muss Kaka!« Er war völlig aufgelöst. »Kann ich Kaka machen?«
    Sie provozierte einen Streit, weil Thanksgiving war und sie eine undankbare Frau war.
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    Kate lag auf dem Sofa und zappte durch die Kanäle – italienische Gameshows, spanische Fußballspiele, öde BBC-Dramen und eine schier endlose Auswahl deutscher und französischer Sendungen. Die Kinder waren nach einer frustrierenden Endlosdebatte darüber, warum Dexter nicht zu Hause sein konnte, endlich eingeschlafen. Sie hatten sich bitter beschwert, während Kate – in ihren Augen geradezu heroisch – versucht hatte, ihnen ihre irrationale Sehnsucht nach ihrem Vater auszureden und ihnen auf konstruktive Weise zu erklären, weshalb er nicht bei ihnen sein konnte. Verständnis, so lautete die Parole, sowohl Dexter als auch den Jungs gegenüber. Wenn sie das schaffte, ging es auch ihr gleich viel besser.
    Aus einer nahegelegenen Bar drang das Kreischen und Quieken von Teenagern herüber, das von den Pflastersteinen widerhallte.
    Sie starrte auf den Fernseher. Kate konnte ihren Argwohn im Hinblick auf Dexter nicht länger ignorieren. Aber sie wollte ihn auch nicht darauf ansprechen und eine Erklärung von ihm verlangen – er war nicht so dumm, dass er versuchen würde, sie mit irgendeiner hirnrissigen Erklärung abzuspeisen. Es würde sie keinen Millimeter vorwärtsbringen, wenn sie ihn in die Mangel nähme, es würde ihn lediglich warnen. Und dann würde sie nie im Leben herausfinden, was los war. Wäre er bereit, ihr eine ehrliche Antwort zu geben, hätte er sie gar nicht erst anzulügen brauchen.
    Es lag auf der Hand, wie ihre nächsten Schritte aussehen mussten. Aber dafür

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