Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
eben ein ungewöhnlicher Mann.«
»Kate«, schaltete sich Julia ein. »Was habt ihr heute Abend vor? Vielleicht könnten du und Dexter ja heute Abend mit uns essen gehen?«
Kates Augen weiteten sich, während sie ihr Gehirn fieberhaft nach einer Ausrede durchforstete, aber dann ging ihr auf, wie wahnsinnig dumm es wäre, jetzt abzusagen. »Klar.«
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»Daddy?«
»Hey, Jake, wie läuft’s?«
»Daddy, sieh mal, was ich gemacht habe.« Jake hielt ein paar Kartonstücke – von ausrangierten Müslischachteln – in die Höhe, die er mit Klebstoff und Klebeband zusammengepappt und an die zwei Hälften einer Wasserflasche getackert hatte. Kate hatte zum Basteln eigens Material gesammelt, ebenso wie Stofffetzen, einzelne Socken und alte Jogginghosen, die bei einem anderen Projekt zum Einsatz kommen sollten. Außerdem hatte sie einige Rezepte ausgesucht, die sich dafür eigneten, mit den Kindern gemeinsam zubereitet zu werden – sie konnten die Äpfel für die Apfelsauce schälen und in Stücke schneiden und Kalbfleisch für die Schnitzel klopfen. Und sie hatte angefangen, die Aktivitäten der Jungs als Teil ihres eigenen Beschäftigungsprogramms zu betrachten und nicht als Unterbrechung der Dinge, die sie eigentlich gerade erledigen sollte.
»Das ist ja toll«, lobte Dexter unsicher und nahm das seltsame Konstrukt in Augenschein. »Was ist das denn?«
»Ein Roboter!« Als wäre es vollkommen offensichtlich.
»Natürlich. Er ist wirklich toll geworden«, meinte Dexter. »Ein supertoller Roboter.« Er wandte sich an Kate. »Wessen Vater war noch mal zu Besuch – der von Julia? Und du hast jemanden gefunden, der so lange auf die Kinder aufpasst?«
»Ja. Der Babysitter sollte in ein paar Minuten hier sein. Wir treffen uns um sieben im Restaurant. Aber nur Julia und ihr Vater. Bill kann nicht mitkommen.«
»Okay.« Mit einer abrupten Bewegung riss Dexter seine Hand herum und sah auf seine Uhr. »Also, Jungs, was macht ihr gerade? Was wollt ihr spielen? Daddy ist noch eine Weile zu Hause, bevor wir wegmüssen. Wir können machen, was ihr wollt, egal, was.«
»Lego!«
Dexter wirkte nervös, fahrig und ungewohnt energiegeladen. Drogen? Das wäre etwas ganz Neues.
»Okay, dann Lego. Los geht’s!« Er riss die Schranktür auf und nahm den Werkzeugkasten heraus. »Eine der Schubladen an ihrer Kommode wackelt«, erklärte er. Kate war nichts aufgefallen, außerdem erstaunte sie sein ungewöhnliches Interesse an häuslichen Reparaturarbeiten. »Ihr Jungs fangt schon mal mit den Legosteinen an, während ich mich noch kurz um die Schublade kümmere.«
Das sah Dexter überhaupt nicht ähnlich.
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»Und was führt Sie beide nach Luxemburg?«
Sie saßen an einem Ecktisch in einer Brasserie auf der Place d’Armes. Draußen waren die Holzbuden für den Weihnachtsmarkt bereits aufgebaut und wurden gerade mit Lichterketten und Tannenzweigen dekoriert. Wann immer die Tür aufging, wehten lautes Hämmern und das Summen der mobilen Stromgeneratoren herein, begleitet von einem Schwall kalter Luft. Im Grunde brauchte man während des Winters in Luxemburg nie seine Jacke oder den Pullover auszuziehen, da das nächste Frösteln bereits an der nächsten Ecke lauerte.
»Mein Job«, antwortete Dexter. »Ich arbeite für eine Bank.«
»Für eine Bank? Nein! Wie ungewöhnlich in Luxemburg!« Lesters hemdsärmelige Jovialität und seine harmlosen Späßchen wirkten wie aus einem Lehrbuch für alternde Väter. Er hatte sein Golfoutfit gegen ein dunkelblaues Sakko, eine gebügelte Hose und ein Hemd mit Button-down-Kragen getauscht. Als käme er direkt aus dem Büro und hätte die Krawatte auf dem Beifahrersitz seines Buick gelassen. Die Karikatur seiner selbst.
»Und woher stammen Sie, Les?«, fragte Kate.
»Oh, wir sind ziemlich herumgekommen, meine kleine Julia und ich, was, Schatz? Aber jetzt lebe ich in der Nähe von Santa Barbara. Schon mal in der Gegend gewesen?«
»Nein, bisher nicht.«
»Und Sie, Dexter?«
Er schüttelte den Kopf. Seine manische Energie war mittlerweile einer beinahe schüchternen Wortkargheit gewichen.
»Sehr schön dort«, fuhr Les fort. »Wunderschön.«
»Aber Sie stammen aus Chicago«, bohrte Kate weiter.
»Wir haben dort eine ganze Weile gelebt, das ist richtig.«
»Dort war ich auch noch nie.«
»Tja, aber ich gehe jede Wette ein, dass Sie in Europa viel herumkommen. Das tut hier jeder, hat mir Julia erzählt. Das stimmt doch, oder?«
»Vermutlich.«
»Tja, ich werde mir als
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