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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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blieb nur die Eingangstür, am helllichten Tag.

17
    »Mami, komm schnell!« Jake stand japsend und völlig aufgelöst vor ihrem Tisch auf dem Spielplatz.
    Die vergangenen Tage waren in einem Nebel aus Küche putzen, Einkaufen und Töpfe schrubben vorübergezogen. Sie hatte Geschenke für die Lehrer der Jungs gekauft, mit ihnen Weihnachtskarten für ihre besten Freunde bemalt und ein Weihnachtskonzert besucht. Sie hatte an Weihnachtskaffeetrinken und -mittagessen mit den anderen Müttern teilgenommen und war über Weihnachtsmärkte gebummelt.
    Für Julia hatte Kate sich eine ganze Reihe von Ausreden einfallen lassen. Tag für Tag hatte sie sie sich vom Leib gehalten und so eine Art Puffer geschaffen, um die Wucht der drohenden Explosion zu dämpfen. Stattdessen hatte sie mehr Zeit mit Claire, Cristina und anderen Frauen verbracht.
    »Was ist denn los, Schatz?«, fragte sie. »Ist etwas mit Ben?«
    »Ben geht’s gut.«
    Kate stieß einen erleichterten Seufzer aus.
    »Aber Colin nicht.«
    Claire sprang auf. Sämtliche Frauen liefen den Grashügel hinunter zum Piratenschiff, wo sich ein Grüppchen Kinder um einen Jungen versammelt hatte, der auf dem Kies lag. Aus einer böse aussehenden Kopfwunde sickerte Blut.
    »Liebling«, rief Claire und untersuchte Colins Kopf. Der Junge stand unübersehbar unter Schock. »Ich würde Jules nur ungern ins Krankenhaus mitnehmen. Und Sebastian ist in Rom«, sagte Claire zu Kate, nahm ihren Kaschmirschal ab und betupfte damit vorsichtig die Kopfwunde, ehe sie ihn fest daraufdrückte, um die Blutung zu stillen. Das Gesicht des Jungen war blutüberströmt. »Würde es dir sehr viel ausmachen«, fuhr sie bemerkenswert ruhig fort, »Jules fürs Erste mitzunehmen? Ich fürchte, in der clinique pédiatrique wird es eine Weile dauern.«
    »Natürlich nicht, kein Problem«, sagte Kate.
    Claire sah auf die Uhr. »Bald ist Abendessenszeit. Aber Jules wird brav alles essen, was auf den Tisch kommt, stimmt’s, Schatz?«
    »Ja, Mami.«
    »Braves Mädchen.«
    Claire lächelte Kate zu, nahm ihren Jüngsten auf den Arm und ging zu ihrem Wagen, um ins Krankenhaus zu fahren, wo Kates persönlicher Albtraum sie erwartete – ganz allein in einem fremden Land, dessen Sprache man nicht spricht, mit einem schwerverletzten Kind, das dringend Hilfe braucht.
    Kate hatte sich immer als starke Frau erlebt, doch sie war nie auf die Idee gekommen, dass es an jeder Ecke Frauen geben konnte, die genauso stark waren. Frauen, die ein ganz normales, unspektakuläres Leben führten, das nicht von ihnen verlangte, sich am Rande eines Krieges in einem Dritte-Welt-Land durchzuschlagen, sondern die seelenruhig ihre verletzten Kinder ins nächste Krankenhaus brachten, fernab der Heimat, fernab von ihren Müttern, Vätern und Geschwistern, alten Schulfreundinnen und Kollegen.
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    Am nächsten Tag war Kate mit einer weiteren reich verzierten Geschenktüte in der Hand auf dem Weg zu einer weiteren Geburtstagsparty, die im Kinderspielzentrum eines belgischen Vororts stattfand.
    »Oh mein Gott!« Vor ihr in der Einkaufspassage stand Julia, an ihrer Seite ein älterer Mann. »Wie geht es dir?« Sie beugte sich vor und küsste Kate auf beide Wangen.
    »Hi, Julia, entschuldige, dass ich nicht zurückgerufen habe, aber ich hatte –«
    Julia winkte ab. »Nicht so schlimm. Kate, das ist mein Vater Lester.«
    »Nennen Sie mich doch Les.«
    »Dad, das ist Kate, eine meiner engsten Freundinnen.«
    »Freut mich sehr«, sagte er.
    Kate musterte den unscheinbaren Mann. Ein ziemlicher Zufall, sich ausgerechnet hier über den Weg zu laufen, dachte sie. »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen.«
    Les trug das Standardoutfit des amerikanischen Rentners – Freizeithose, ein Polohemd, bequeme Schuhe und dazu einen Fleecepulli, auf den ein Golfer mitten im schwungvollen Schlag und der Schriftzug THE HIGHLANDS aufgestickt waren. Genau die Art Outfit, die ein Polizist wählen würde, der ein bisschen anders erscheinen möchte, als er ist.
    »Sind Sie zu Besuch hier?«, erkundigte sich Kate. »Von woher?«
    »Von zu Hause. Ja, ich habe mir überlegt, dass es höchste Zeit wird, mir mal anzusehen, wohin es meine kleine Julia verschlagen hat. Ist ja ein hübsches Städtchen.«
    Kate konnte über die Dreistigkeit, mit der er ihre Frage unbeantwortet ließ, nur staunen. »Die Woche nach Thanksgiving«, fuhr sie fort, »ist eine ziemlich ungewöhnliche Zeit für einen Besuch bei der Familie.«
    Lester lächelte. »Tja, was soll ich sagen. Ich bin

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