Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
bemessen und nicht in Kilometern wie an den Flughäfen von Washington oder Frankfurt. Von ihrer Haustür bis zum Gate brauchte man gerade einmal zwanzig Minuten.
»Danke«, sagte Dexter. Ein flüchtiger Kuss, ein kurzes Lächeln, dann stieg er aus. Ringsherum parkten deutsche Autos, aus denen Männer stiegen, ihr Gepäck aus dem Kofferraum nahmen, die Taschen nach dem Pass abklopften und Varianten von Dexters Abschiedsfloskel – »Dann bis demnächst« – von sich gaben, mit den Gedanken bereits ganz woanders.
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Als Kate das Haus verließ, läutete ihr Handy. Julia. Wieder drückte sie den Anruf weg.
Es nieselte, und es war eine Spur zu warm für Dezember. Sie ging exakt dieselbe Strecke wie an dem Tag, als sie Dexter ins Büro gefolgt war. Ohne den Portier eines Blickes zu würdigen, durchquerte sie die Eingangshalle, drückte den Aufzugknopf und fuhr mit zwei italienischen Bankern, die in den fünften Stock wollten, bis zur dritten Etage. Sie hatte keine Ahnung, wo sich Dexters Büro befand, vermutete aber, dass an seiner Tür kein Namensschild angebracht war. Am Ende des neonbeleuchteten Korridors fand sie so eine Tür, und ihr Schloss ließ sich mit dem ersten Schlüssel öffnen.
Kate trat in einen kleinen, düsteren Vorraum, von dem eine weitere Tür abging. Neben der Tür befand sich ein mit roten Leuchtziffern versehenes Tastenfeld.
Wie viele Kombinationen würde sie ausprobieren können, ohne dass sich das System abschaltete? Drei? Zwei? Oder würde das System gleich nach dem ersten Fehlversuch eine automatische SMS auf sein Handy schicken?
Eine ganze Flut an Zahlen kamen ihr in den Sinn. Ihr Hochzeitstag, die Geburtstage der Jungs, ihr eigener, seiner, der seines Vaters oder seiner Mutter, die Telefonnummer seiner Eltern von früher. Eine davon musste es sein, aber vielleicht in umgekehrter Reihenfolge, womöglich noch codiert …
Gab es irgendeine Möglichkeit, seinen Code zu knacken? Klar, falls Dexter ein Vollidiot war.
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Kaum war sie wieder zu Hause, läutete ihr Handy. Eine unbekannte, lange Nummer. Der Anruf kam also aus dem Ausland.
»Bonjour.« Sie hatte keine Ahnung, wieso sie sich auf Französisch meldete.
»Ich bin’s.«
»Oh, hi.«
»Ich habe meinen Schlüsselbund vergessen«, sagte Dexter. »Vielleicht habe ich ihn sogar verloren.«
»Wirklich?«
»Ich brauche ihn aber dringend. Genauer gesagt, den USB-Stick, der dranhängt.«
Sie warf einen Blick auf die Schlüssel, die in der Keramikschale auf dem Dielentisch lagen. Genau dort, wo sie liegen würden, wenn er sie vergessen hätte.
»Und was willst du jetzt machen?«, fragte sie, darauf bedacht, ihre Stimme neutral und unbeteiligt klingen zu lassen.
»Bist du zu Hause?«
»Ja.«
»Könntest du mal nachgucken?«
»Wo?«
»Wo ich sie sonst immer hinlege.«
»Okay.« Sie drehte eine Runde durch die Diele, blieb vor dem Tisch stehen und betrachtete die Schlüssel. »Nein, in der Schale liegen sie nicht.«
»Könntest du im Wagen nachsehen? Vielleicht sind sie ja herausgefallen, als ich das Ladegerät gesucht habe.«
»Klar.« Sie ging nach unten in die Tiefgarage und öffnete den leeren Kofferraum. »Hier liegen sie.«
»Gott sei Dank«, hörte sie ihn sagen. Wegen des schlechten Empfangs klang seine Stimme abgehackt.
Sie schwieg. Ging zum Aufzug zurück.
»Hör zu«, sagte er, dann hielt er inne.
»Ja?«
Er schien nachzudenken. Sie wartete. »Du musst mir einen Gefallen tun.«
»Klar.«
»Geh mit dem Schlüssel an den Computer.«
»Moment.« Kate betrat das Gästezimmer und setzte sich an den Laptop. »Okay.«
»Der Computer ist hochgefahren? Steck den Memorystick rein.«
Sie schob ihn in den Schlitz. »Fertig.«
»Okay. Doppelklick.«
Eine Dialogbox sprang auf.
»Der Username«, fuhr er fort, »lautet AEMSPM217. Das Passwort ist MEMCWP718.«
Sie notierte beide Nummern, ehe sie sie eingab. Fieberhaft überlegte sie, was die Nummern bedeuten könnten, aber sie konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen. »Was sind das für Nummern?«
»Ein Zufallsgenerator hat sie ausgespuckt, und ich habe sie auswendig gelernt.«
»Wieso?«
»Weil das die einzige Möglichkeit für einen Code ist, den keiner knacken kann. Also, und jetzt Doppelklick auf das oberste Feld. Das blaue I.«
Eine Anwendung öffnete sich, ein Logo blinkte auf, gefolgt von einem kleinen Fenster mit einer weiteren Serie aus Buchstaben und Ziffern.
»Lies mir bitte vor, was da steht.«
»Stammt das auch von einem
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