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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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den Einsatz. Aber stattdessen tat sie die Frage mit einem Achselzucken ab. »Noch mehr Ausbildung, irgendwo anders. Ich weiß es gar nicht. Die erzählen einem nicht viel.«
    »Richtig so«, sagte ihr Vater zustimmend, wie jemand, der sich mit solchen Dingen auskannte.
    »Übrigens, Ned hat dir einen Brief geschrieben«, sagte ihre Mutter. »Du kannst dich geehrt fühlen, uns schreibt er nämlich nie.«
    Sie öffnete den Umschlag erst, als sie allein in ihrem Zimmer war. Ned hatte den Brief – in seinem vertrauten Gekrakel – auf die Rückseite irgendeines Formulars des Ministry of Supply geschrieben, als hätte er sich das erstbeste Blatt Papier gegriffen, das ihm in die Finger kam. Er erzählte natürlich sehr wenig. Erst kam die übliche Begrüßung und dass er hoffte, ihr Lehrgang sei gut verlaufen, und dann »das, worüber ich mit Dir gesprochen habe …«, und eine Adresse, eine Pariser Adresse an der Place de l’Estrapade im 5. Arrondissement. Numéro 2, appartement G. Und der Name, Clément.
    »Was schreibt Ned denn?«, fragten ihre Eltern, als sie zum Abendessen nach unten kam.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Nicht viel. Typisch Ned. Habt ihr ihn in letzter Zeit mal gesehen?«
    Nein, hatten sie nicht. Er meldete sich fast nie. Marian wartete, bis sie auf andere Dinge zu sprechen kamen – Familie, Freunde, die Entbehrungen des Krieges –, ehe sie ihre Frage stellte. »Die Pelletiers. Was ist eigentlich aus denen geworden, wisst ihr das?« Sie sagte das beiläufig, als wäre es nicht wichtig, ob sie es wüssten oder nicht. Aber ihr Vater wusste es natürlich. Gustave Pelletier hatte als Mitarbeiter des französischen Außenministeriums in irgendeiner Abteilung des Völkerbundes gearbeitet. Kurz vor Kriegsbeginn war er wieder zurück zum Quai d’Orsay beordert worden, um unter Bonnet zu arbeiten, war aber mit seinem Dienstherren nicht klargekommen und wieder ins Ausland geschickt worden. »Als Botschafter in Nordafrika oder so. Dann hat er den Posten hingeschmissen und sich den Freien Französischen Streitkräften angeschlossen, soweit ich gehört habe. Hat sich auf Darlans Seite geschlagen, was nicht so eine gute Idee war. Ich glaube, er ist jetzt in Algier. Vielleicht triffst du ihn ja …«
    »Clément hat dir früher auch geschrieben, nicht?«, fragte ihre Mutter. »Ich glaube, er hatte eine Schwäche für dich.«
    Marian wurde rot und ärgerte sich über sich selbst. »Er hat ab und zu mal geschrieben, ja. Irgendwie seltsam, dass Ned und er sich so gut verstanden haben. Die beiden waren doch eigentlich ganz unterschiedlich.«
    »Gegensätze ziehen sich an«, meinte ihre Mutter. »Und dann hatten sie ja schließlich auch ihr Studienfach gemeinsam, oder?«
    »Ihre Forschung, ja.«
    »Dieser ganze Atomkram. Ich hab kein Wort verstanden.« Und dann sprachen sie über andere Dinge, andere Leute, die Welt, in der sie einst in Genf gelebt hatten – eine internationale Welt, die jetzt so fern schien, wo alles so eng und geballt und britisch war.
    Die restlichen Tage von Marians Urlaub schleppten sich dahin, träge im Vergleich zu den hektischen sechs Wochen in Schottland. Der langweilige Alltag, bestehend aus Essensrationen und Schlangestehen am Lebensmittelladen und Zeitungen lesen und sich Gedanken über Sachen machen, die ihren Horizont überstiegen und auf die sie ohnehin keinen Einfluss hatte. Sie hatte keine Freunde in Oxford. Die Universitätsstadt – introvertiert, hochnäsig, nur mit sich selbst beschäftigt – war für die Familie Sutro bloß ein vorübergehender Zufluchtsort.
    Eines Abends, als sie im Wohnzimmer saßen und lasen, klingelte das Telefon. Marians Mutter war in irgendeinen schwülstigen französischen Roman vertieft, den sie sich in der Stadtbibliothek ausgeliehen hatte. Ihr Vater löste das Kreuzworträtsel in der Times , grübelte gerade über einen Begriff nach. Prosaschmied, neun Buchstaben. »Ich geh schon«, sagte Marian und eilte Richtung Diele, ehe sich einer von ihnen aus dem Sessel hieven konnte. Sie schloss sogar die Wohnzimmertür, ehe sie den Hörer abnahm.
    »Anne-Marie?«, fragte eine Stimme. »C’est toi?«
    Es war Benoît. Benoît Bérard. Sie erinnerte sich sogar an seinen Nachnamen. »Ich hab gerade an dich gedacht«, sagte sie und bedauerte es gleich wieder. »Was machst du so?«
    »Nichts. Ich hab mich schrecklich gelangweilt und mir gedacht, ich mache einen coup de bigo , um zu sehen, ob du zu Hause bist.«
    »Was ist das? Un coup de bigo?«
    »Ein Anruf. Le

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