Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)
vor Lust, und dann war sie voll von ihm, voller, als sie es je für möglich gehalten hätte, vollgestopft von ihm. Er gab einen Laut von sich, einen leisen überraschten Ton, während er in sie hineinstieß, als wollte er ihre Tiefen erkunden, wieder und wieder, beharrlich und zudringlich, und dann glitt er genauso plötzlich aus ihr heraus, und sein Penis lag zwischen seinem und ihrem Bauch, zuckend wie ein sterbendes Tier, das seinen Lebenssaft ergießt.
Er rollte sich von ihr runter und ein Stück weg. Sie spürte die Nässe unter ihrer Hand, etwas Zähflüssiges, das sie ihm entlockt hatte. Ein Geruch stieg ihr in die Nase, nach Humuserde und Pilzen, ziemlich ausgeprägt. »Ein Taschentuch«, flüsterte sie und tastete im Dunkeln nach dem Nachttisch.
»Soll ich das Licht anmachen?«
»Nein!« Sie rollte sich aus dem Bett und nahm ihr Nachthemd vom Boden. Hatte sie geblutet? Das gehörte doch dazu, oder? Blut und Schmerzen. Was ihre Mutter wohl sagen würde, wenn sie das befleckte Laken sah, von Blut oder Sperma oder beidem. »Ich muss gehen.«
»Warte. Warte, ma p’tite . Nicht so schnell. Du warst so schön.«
War sie das? Was hatte Schönheit damit zu tun? Sie war Marian Sutro, keine Jungfrau mehr. Sie streifte sich das Nachthemd über den Kopf. Die Scham, die sie bis jetzt ausgesperrt hatte, flutete herein. Sie verließ den Raum genauso, wie sie gekommen war, im Dunkeln, tappte mit vorsichtigen Schritten hinaus auf den Flur, aber diesmal ging sie ins Bad. Sobald sie die Tür sicher hinter sich verschlossen hatte, konnte sie das Licht anmachen und sich so sehen, wie sie war, die schlanke Gestalt eines pubertierenden Mädchens, die blasse Wölbung ihres Bauches, mit dem Nabel in der Mitte und darunter das mit Sperma verklebte Haarbüschel. Blut war nicht zu sehen, aber sie fühlte sich wund. Die Hähne zitterten, als sie das Wasser aufdrehte. Würde das Geräusch ihre Eltern wecken? Sie wusch sich und trocknete sich ab, kehrte dann in ihr Zimmer und zu ihren kühlen, sauberen Laken zurück. War sie jetzt eine Frau? Aber der Unterschied war rein körperlich: In ihrem Kopf hatte sich nichts verändert. Das Experiment, wenn es denn eins gewesen war, war gescheitert. Sie schlief ein, in Gedanken nicht bei Benoît, sondern bei Clément Pelletier und zwei Steinklumpen, die sie mit den Händen zusammenschlug.
Beim Frühstück am nächsten Morgen sah sie ihn kaum an. Vielleicht würde ihre Mutter denken, sie hätten sich gestritten; ihrem Vater würde es nicht mal auffallen. »Wir müssen zurück nach London«, erklärte sie ihren Eltern.
»So bald?«
»Ich hab euch doch gesagt, wir kommen nur übers Wochenende. Es kann jetzt sein, dass wir jederzeit wegmüssen.«
»Nach Algier?«
»Wahrscheinlich, Mutter. Wie gesagt, wir wissen es nicht genau, und außerdem ist alles streng geheim.«
Im Zug saßen sie mit deutlichem Abstand nebeneinander, eine Handbreit Platz zwischen ihnen. Benoît blickte gekränkt und verwirrt. »Was habe ich falsch gemacht, mon chaton? «, fragte er.
Nichts, beteuerte sie ihm, gar nichts. Aber sie wies seine Versuche ab, ihre Hand zu nehmen und auch nur ein schwaches Abbild ihrer Intimität in der Nacht zuvor wiederherzustellen. Und sie wusste nicht, warum, das war das Problem. Sie empfand seine Gegenwart neben sich im Zug als größere Zudringlichkeit als alles, was zwischen ihnen passiert war. »Und bitte, nenn mich nicht mon chaton «, sagte sie. »Ich mag das nicht.«
»Dann eben Minou . Ich nenn dich Minou .«
Sie wandte sich von ihm ab und schaute zum Fenster hinaus, wunderte sich über ihre Launenhaftigkeit, die sie irgendwie nicht beherrschen konnte, ein kindliches Verhalten, das ihre Frauwerdung anscheinend überlebt hatte.
Vom Bahnhof Paddington nahmen sie ein Taxi zum Portman Square. Die Tür des Orchard Court wurde ihnen geöffnet, und Parks, der Butler, neigte den Kopf und geleitete sie in die Welt, der sie für ein paar Tage entflohen waren.
ERSTER VOLLMOND
I
Colonel Buckmaster hatte einen Gast. Der Mann wurde Sir Charles genannt, war groß und elegant und auf Hochglanz poliert. »Sir Charles ist unser CD «, gab der Colonel als Erklärung an.
» CD ?«
Der fragliche Mann schmunzelte. »Command Director . Heißt nichts anderes, als dass ich der Leiter der gesamten Organisation bin. Jedenfalls, ich bin entzückt, Sie kennenzulernen, Miss Sutro. Ich darf sagen, dass Ihr Name in den höchsten Kreisen erwähnt worden ist. In den allerhöchsten.«
Das »entzückt«
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