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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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ich reden?«
    »Wir machen doch nichts anderes hier«, sagte Emile. »Immer nur reden, reden, reden. Wird Zeit, dass sich mal was tut, hä? Ich habe keinen Schimmer, wann ich wegkomme. Was hat von Clausewitz noch mal über den Krieg gesagt? Nebel und Mondschein. Das eine haben wir, und das andere erzählen sie uns.«
    Marian und Benoît fanden Zuflucht in einem anderen Raum, eine Art Salon, wo Leute hingingen, wenn sie ein wenig Ruhe und Frieden wollten. »Wieso guckst du so griesgrämig?«, fragte sie.
    »Was heißt das, ›griesgrämig‹? Gefällt dir mein Gesicht nicht? Hättest du lieber einen von deinen schmierigen Engländern, die in Wahrheit lieber Jungs mögen als Mädchen?«
    »Ach, nun sei doch nicht so. Lass das bleiben.« Sie wünschte, er würde damit aufhören, wünschte, dass sie wieder mehr Abstand zueinander hätten und einfach nur Freunde sein könnten.
    »Lass das bleiben. Ha!« Er lachte gespielt. »Und als du mich gebeten hast, dich zu vögeln, hätte ich das auch bleiben lassen sollen?« Er benutzte das Wort baiser , mit seiner Doppeldeutigkeit: küssen und vögeln. »Ja, du hast mich regelrecht angefleht, dich zu vögeln. Und dann sagst du mir mehr oder weniger, ich soll mich verpissen.« Mit seinem französischen Akzent klang das ulkig – verpiiiissen, was alles nur noch schlimmer machte, weil sie lachen musste, und ihr Lachen löste einen Streit aus, einen absurden und sinnlosen Konflikt, pure Frustration, die zu Wut hochkochte.
    »Du führst mich an der Nase herum«, rief er. »Erst willst du was von mir und dann wieder nicht. Was soll ich denn denken?«
    »Ich dachte, du verstehst das.«
    »Verstehen? Und ob ich verstehe. Es hat dir Spaß gemacht, mich aufzugeilen!«
    Jemand steckte den Kopf zur Tür herein und sah sie alarmiert an. Es war einer von den Offizieren im Haus. »Was zum Teufel ist hier los?«, fragte er.
    »Nichts«, sagte Benoît. Rien . Das französische Wort war um einiges ausdrucksstarker, spürbarer. Rien! Ein nasaler Auswurf, wie ein lautes Räuspern. Marian nutzte die Gelegenheit, um auf ihr Zimmer zu fliehen, und als er ein paar Minuten später an der Tür klopfte, sagte sie ihm nicht mal, er solle verschwinden. Sie ignorierte ihn einfach.
    III
    Der Deckname für die Operation war TRAPEZE . Alles hatte einen Decknamen, sogar die Aufgabe, sie irgendwo über Frankreich mit dem Fallschirm abzusetzen, sogar sie selbst hatten Decknamen extra für die Zeit bis zum Absprung: Sie war Florist, und Benoît war Milkman. Wie früher als Kind, wenn sie Glückliche Familie spielte. Am nächsten Morgen stand der Name TRAPEZE am Schwarzen Brett draußen neben der Tür zum Büro, vor allen anderen angesetzt, trotz des Gedränges in den letzten Wochen.
    »Was ist denn so besonders an Florist und Milkman?«, meckerte Emile, doch sie zuckte nur mit den Achseln. Im Besprechungsraum zeigte ein bleicher RAF -Lieutenant auf eine Karte von Frankreich, erzählte irgendwas über das Wetter und erklärte, falls der Nebel sich lichtete, würden sie am Nachmittag starten. »Natürlich wissen wir nicht genau, wie die Wetterbedingungen über der Absprungzone sind.« Die Absprungzone schien ein abstrakter Begriff zu sein, ein Ort in einer anderen Welt, so fern, dass er jedes Vorstellungsvermögen überstieg.
    Als sie nach der Einsatzbesprechung den Raum verließen, nahm Benoît ihren Arm.
    »Tut mir leid wegen gestern«, sagte er. »Ich hab mich danebenbenommen.«
    Sie zuckte die Achseln. »Egal. Vergiss das Ganze.«
    »Das meinst du nicht im Ernst, oder?«
    »Doch, das tu ich.«
    Den ganzen Morgen hindurch war sie von Aufregung beherrscht, nervöser Erwartung, dem eigentümlichen, herzflatternden ängstlichen Zittern, das sie nur von banalen Dingen her kannte – vor einer Abschlussprüfung oder einem Hockeymatch mit der Schulmannschaft oder einem Auftritt im Schülertheater. Sie musste zweimal aufs Klo, weil ihre Blase Kapriolen schlug. Zum Mittagessen bekamen sie große Portionen, die sie nicht essen konnten, und danach richtigen Kaffee.
    »Wie die Henkersmahlzeit bei Todeskandidaten«, sagte Benoît.
    Sie fauchte ihn an – »Sei nicht so negativ« – und bedauerte es gleich wieder, weil er das als Witz gemeint hatte. Galgenhumor war erlaubt. War sogar gut. Génial .
    Am Nachmittag überprüften sie ihre Ausrüstung, studierten die Karten von der Absprungzone und gingen ihre Tarngeschichten durch. Dann, nach dem Tee, Bechern mit heißem, süßem Tee, wurden sie in einer Limousine mit

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