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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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-Piloten und eine junge Frau mit vorstehenden Zähnen und einem lauten, schrillen Lachen. Trauerweiden bildeten einen flimmernden Hintergrund wie ein impressionistisches Gemälde und verwandelten sogar die Frau mit den vorstehenden Zähnen in eine Schönheit.
    »Benoît«, sagte sie und stockte dann. Sie wusste, was sie sagen wollte, konnte aber nicht die Worte finden oder den nötigen Mut aufbringen.
    »Raus mit der Sprache.«
    Im Wasser schwammen Forellen unter der Oberfläche, schwebten auf der Stelle und ruderten mit den Schwänzen gegen die Strömung. Genau so musste ein Agent sein, hatte einer der Ausbilder in Beaulieu gesagt: ein Fisch im Wasser, ganz in seinem Element. Aber in der Meoble Lodge hatte sie gelernt, wie man Forellen fing, indem man die Hände im eisigen Wasser unter die Fische schob und sie dann blitzschnell ans Ufer schleuderte, wo sie hilflos zappelten.
    »Ich weiß nicht genau, wie ich es sagen soll …«
    »Gib dir einen Ruck«, sagte er.
    Sie blickte zu ihm hoch. »Ich bin noch Jungfrau«, sagte sie. Vierge . Das Wort kam ihr albern vor. La Vierge Marie . Eine Gipsfigur in Blau-Weiß, mit Sternen um den Kopf und einer Mondsichel zu den Füßen. Hätte Benoît auch nur gelächelt, hätte sie nicht weitergesprochen. Hätte in seiner Miene auch nur ein Funke Belustigung gelegen, hätte sie ihm gesagt, er solle sich zum Teufel scheren. Aber nichts dergleichen. Er sah sie bloß an, als würde sie ihm etwas von feierlicher Wichtigkeit mitteilen, als wäre er ein Priester, der ihr die Beichte abnahm. Aber diese Beichte erfolgte über einen Holztisch neben einem Stauwehr, über zwei Gläser Bier und einen Teller mit Corned-Beef-Sandwiches hinweg.
    »Ich will nicht als Jungfrau nach Frankreich gehen«, sagte sie. »Das ist alles.«
    XIII
    Sie wartete, bis das Haus still wurde, ihre Eltern im Bett waren und alle Lampen aus. Dann stand sie auf, öffnete ihre Zimmertür und schlich über den Flur zum Gästezimmer. Selbst das hatten sie in Beaulieu gelernt – wie man sich lautlos durch ein Gebäude bewegte, wie man Türen ohne ein Geräusch öffnete, wie man ungesehen und ungehört blieb.
    Sie öffnete die Tür und trat hinein, in die Dunkelheit. »Bist du da?«, flüsterte sie.
    »Natürlich bin ich da.«
    Sie durchquerte ganz langsam den Raum, ließ ihre nackten Füße bei jedem Schritt erst die Dielenbretter und den Teppich erfühlen, ehe sie sie mit ihrem Gewicht belastete. Neben dem Bett zog sie sich das Nachthemd über den Kopf und ließ es zu Boden fallen, tastete dann nach der Bettkante und schlüpfte neben Benoît unter die Decke.
    Sie lag ganz still, auf dem Rücken, spürte ihn neben sich, seine Wärme, nur wenige Zentimeter von ihrem Körper entfernt. »Ma p’tite Marianne«, sagte er, aber sie legte ihm einen Finger an die Lippen, damit er schwieg.
    »Nicht Marian«, flüsterte sie. Sie wollte keine Erinnerung daran, wer sie beide waren. Sie wollte einfach nur, dass das hier passierte, nicht ihr, sondern jemand anderem. Alice Thurrock mit ihrer Brille und der langweiligen, praktischen Art. Anne-Marie Laroche. Egal wem, nur nicht Marian Sutro.
    »Alice«, sagte er. »Meine Alice.« Seine Hand berührte zaghaft ihre Brust. Bewegte sich nach unten zu ihrem Bauch, verharrte am Nabel und glitt wie ein verirrter Tropfen warmes Wasser in das raue Haar. Die Berührung war ein Schock, fast wie ein Stromschlag, der durch ihren Körper nach oben lief. Sie lag da und ließ sich von ihm streicheln, sanft und methodisch.
    »Ma belle«, flüsterte er. » Ma fleur . Gefällt dir das? Ist es gut so?«
    »Ja, es ist gut. Genau so.« Und das war es auch, irgendwie. Lustvoll trotz der Scham, dieses sanfte Streicheln ihres Innersten, als ob er eine tiefe Wurzel ihres Nervensystems entdeckt hätte und sie zum Leben erwecken würde. Aber von ihrer Seite kam nichts. Sollte es nicht ein gegenseitiges Verschaffen von Lust sein, ein gleichzeitiges Geben und Nehmen? Aber sie hatte das Gefühl, nichts zu haben, was sie ihm geben könnte, verspürte nicht den Wunsch, ihn zu halten, wollte nichts mit der befremdlichen Tatsache zu tun haben, dass er im Dunkeln neben ihr lag. Vielleicht konnte es ja so weitergehen, wohltuend und gleichgültig. Doch dann legte er sich auf sie, sein unsichtbares Gewicht presste sie tief in die Matratze, seine Oberschenkel drückten ihr die Beine auseinander, sein Bauch an ihrem. Etwas Stumpfes und Blindes, wie ein Nachttier, drückte sich an sie. Ein Schrei entfuhr ihr, wie vor Schmerz oder

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