Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)
Angehörigen von PROSPER erwarten, haben Sie das verstanden? In Paris sind Sie ganz auf sich allein gestellt.«
»Ich bin sicher, Miss Sutro wird in der Lage sein, ihre Mission mit größtem Geschick auszuführen.« Sir Charles zog an seiner Zigarette und lächelte aufmunternd. »Wenn ich recht informiert bin, ist geplant, eine gewisse Person zu exfiltrieren – ich glaube, das ist der Begriff, den wir heutzutage verwenden –, eine ganz bestimmte Person. Dabei werden Sie selbstverständlich Unterstützung benötigen.«
»Gilbert ist unser Mann für Landeoperationen im Pariser Raum«, sagte Buckmaster. Er versuchte, den Namen französisch auszusprechen, doch es klang wie Jill Bär . Schwester von Rupert Bär, dachte Marian. Cousine von Teddy. Einen Moment lang sprudelte Lachen in ihr hoch, hysterisches, verbotenes Lachen. Wie Kichern in der Kirche. Sie hustete und blickte weg und dachte an Benoît, den ihr Unbehagen sicherlich entzückt hätte.
»Er sollte das regeln können«, sagte Buckmaster. »Und diese Lysander-Burschen – ganz hervorragend. Zuverlässig wie ein Uhrwerk, ohne Fehl und Tadel.« Er sagte es so, als würde er einen Flugdienst anpreisen: Croydon nach Le Bourget fünfmal wöchentlich. »Diese Operation ist für uns von größter Wichtigkeit. Sie sollten nichts tun, was ihre Arbeit gefährden könnte, verstehen Sie das?«
»Selbstverständlich.«
Sir Charles lächelte. »Dann wäre das geklärt. Ich bin sicher, Colonel Buckmaster kann Sie über die Einzelheiten der Operation ins Bild setzen, aber ich muss mich leider sputen.« Er stand auf. »Es war mir ein großes Vergnügen, mit Ihnen zu sprechen, Miss Sutro. Ich würde Ihnen gern Glück für Ihre Mission wünschen, aber wie ich gehört habe, ist das in der F-Sektion nicht üblich, hab ich recht?«
»Merde alors«, entgegnete sie. »Das sagen wir.«
Sir Charles dachte kurz darüber nach. »Das bleibt wohl besser unübersetzt, was?« Er streckte ihr seine Hand hin. »Also dann, merde alors. Richtig?« Aus seinem Mund klang es ein bisschen wie Mörder los , und irgendwie fand sie das passend.
II
Das Zwischenlager war aus rotem Backstein, georgianische Architektur, ziemlich elegant – wie ein Landhotel, meinte jemand. Eingerichtet war es mit abgewetzten Sofas und ramponierten Sesseln, und es hatte eine Bar, die einfach immer geöffnet war. Schlechtes Wetter während der zwei letzten Mondphasen hatte zu einem Rückstau von Agenten geführt, die auf ihren Abflug warteten. Emile war einer von ihnen, hockte an der Bar und dozierte über Meteorologie und die Ursache von Nebel. »Temperaturinversion«, erklärte er jedem, der den Fehler beging, ihm zuzuhören. »Hat alles mit dem adiabatischen Temperaturgefälle zu tun.«
Die Leute mieden den Blickkontakt mit ihm, um bloß nicht in den Vortrag hineingezogen zu werden, aber Marian entkam ihm nicht. »Dann hast du’s also geschafft?«, rief er, als er sie am anderen Ende des Raums entdeckte. »Du hast Beaulieu überstanden.«
»Hast du gedacht, ich schaff das nicht?«
»Eigensinnig, das hab ich gedacht.«
Sie goss sich einen Dubonnet ein. In einem Eimer war Eis, aber es gab keine Zitronen. »Ist eigensinnig schlecht?«
»Eigensinn braucht die Mäßigung durch Klugheit«, sagte er.
Eine Schallplatte lief, ein bittersüßes Chanson von Mireille und Jean Sablon. »Puisque vous partez en voyage« hieß es. Ein Paar, das auf einem Bahnsteig über den Abschiedsschmerz sprach, was durchaus passend war.
»Was ist mit Yvette?«, fragte sie. »Weißt du, was aus ihr geworden ist?«
»Ah, Mrs Coombes. Die gefürchtete Mrs Coombes, die unbedingt Deutsche töten wollte. Tja, behalt das bitte für dich, aber wie ich gehört habe, hat sie ihre Chance bereits bekommen. Sie brauchten ganz schnell jemanden, und da haben sie sie den Wölfen zum Fraß vorgeworfen.«
»Sie ist schon weg? Wohin?«
Er nippte an seinem Whisky und blickte sich um, als könnte ihn jemand belauschen. »Ich hab gehört, Paris. Die müssen nicht ganz bei Trost gewesen sein, dass sie sie überhaupt in den Einsatz geschickt haben – und dann auch noch Paris!«
»Sie kommt schon klar«, sagte Marian. »Sie ist zäher, als man meint.«
»Sie ist ein kleines Mädchen in einer Männerwelt, das ist sie.«
»Und ich? Was bin ich?«
Ehe er antworten konnte, erschien Benoît. Er wollte nichts trinken. Er rauchte, machte ein mürrisches, bedrücktes Gesicht und sah aus wie ein verwöhntes Kind. Er versuchte, Marian beiseitezuziehen. »Kann
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