Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)
verwirrte sie; »in den höchsten Kreisen« verwirrte sie. Sie hatte sich im Zug alles gut überlegt – sie würde aufhören. Ihr Privatleben wurde in den ganzen Schlamassel mit hineingezogen. Irgendwelche Leute hatten in ihrer Vergangenheit herumgeschnüffelt und ihre Briefe gelesen und mit anderen darüber gesprochen, was zwischen ihr und Clément gewesen war oder nicht, und jetzt reichte es. Sollten sie sie ruhig ins Kühlhaus schicken so lange sie wollten, das war ihr egal. Sie würde aufhören. Und jetzt wurde sie von jemandem begrüßt, der »entzückt« war, und man sprach in Kreisen über sie, die wie Heiligenscheine sogar über dem Kopf einer so hochrangigen Persönlichkeit wie Sir Charles schwebten.
»Jemand hat versucht, Sie abzuwerben«, sagte Buckmaster unvermittelt.
Ein gequälter Ausdruck glitt über Sir Charles’ Gesicht. »Bitte, Maurice.« Er hatte die ruhige, selbstsichere Art eines Mannes, der im Leben sämtliche Vorrechte genießt. Sie kannte das von Leuten, denen sie in Genf begegnet war, britischen Diplomaten, die bei ihnen zu Hause aus und ein gingen, Männern, die überzeugt waren, dass ihnen ein Platz ganz oben in der Pyramide zustand, ganz gleich was auf der Welt geschah. »Eine Schwesterorganisation bittet uns in einer Angelegenheit um Hilfe«, erklärte er. »Mitunter ist ihre Vorgehensweise ein wenig selbstherrlich.«
»Eher verdammt rücksichtslos«, sagte Buckmaster. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt, als würde er strammstehen und zugleich einen entspannten Eindruck machen wollen. Eine Hand klatschte rhythmisch gegen die andere, als würde er im Kopf den Takt zu irgendeiner Melodie schlagen. »Aber das wundert uns mittlerweile nicht mehr.«
Sir Charles griff in seine Jacketttasche und holte ein Zigarettenetui hervor. »Rauchen Sie?«
Sie nahm die angebotene Zigarette, beugte sich vor und ließ sich mit einem goldenen Feuerzeug Feuer geben. »Sie kennen doch bestimmt das Kinderspiel Schweinchen in der Mitte. Genau so fühl ich mich«, sagte sie, aber in Wahrheit war es noch schlimmer – das hier war eine neue Variante, eine mit Elementen des Kriegsspiels. Das arme Opfer, das ratlos zwischen den beiden Werfern stand, hatte nämlich die Augen verbunden.
»Das kann ich mir gut vorstellen. Die Welt der Geheimdienste ist leider überlaufen, und mitunter treten wir uns gegenseitig auf die Zehen. Die wollen etwas von uns, wir wollen etwas von denen. Eine Hand wäscht die andere, gewissermaßen. Mehr kann ich unmöglich dazu sagen, aber ich möchte klarstellen, dass Sie weiterhin dieser Organisation unterstellt sind.«
»Dann lassen wir uns also darauf ein, was die vorgeschlagen haben?« Wir und die . Sie hatte sich bewusst so ausgedrückt. Sie und der Colonel zusammen. Und Miss Atkins und all die anderen Mitarbeiter der F-Sektion. Wir alle zusammen gegen die . Während Sir Charles Wer-auch-immer-er-war von den höchsten Kreisen gütig auf sie herablächelte.
»Wir haben beschlossen, dass Sie tun sollten, was unsere Freunde im Auge haben, egal was. Solange es Ihrem Einsatz für uns nicht schadet.«
Buckmaster sagte: »Meiner Meinung nach ist das typisch bürokratisches Chaos, wenn ich das so sagen darf. Der Plan sieht vor, Sie während des nächsten Vollmonds im Südwesten Frankreichs abzusetzen. Es ist viel zu spät, Sie einem anderen Ring zuzuweisen, und WORDSMITH schreit schon seit Monaten nach Unterstützung. Aber Sie müssen womöglich nach Paris fahren, um sich um diese Angelegenheit zu kümmern.«
»So habe ich es verstanden.«
»Paris ist eine gefährliche Stadt.«
»Natürlich ist es da gefährlich. Das weiß ich.«
»Ihre Loyalität muss vor allen Dingen Ihren Kollegen im Einsatz gelten. So sehe ich das. Egal was Sie tun müssen, es darf keinen von ihnen gefährden. In Paris befinden Sie sich im Bereich eines unserer wichtigsten Ringe.« Er blickte sie mit seinen kalten Augen an. »Haben Sie schon von PROSPER gehört?«
Sie sah vom einen zum anderen. PROSPER war ein Name, der Wunder wirkte, etwas, worüber nur Gerüchte kursierten, der größte Agentenring in Frankreich, mit Untergruppen, die sich über den ganzen Norden verteilten, von Lille bis Brest. Francis Suttill war der Leiter, der große Held, Buckmasters Goldjunge. Solche Dinge sollte eigentlich niemand wissen, aber man wusste sie. Das heimtückische Wirken von Gerüchten und Tratsch. »Ich hab das ein oder andere gehört.«
»Nun, Sie dürfen keinerlei Unterstützung von irgendeinem
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