Die Frau, für die ich den Computer erfand
er übersetzt einen Satz aus der Bibel, ein einziges Sätzchen … Schwierig, na schön, aber er wird nicht mal damit fertig, schon kommt der Teufel angesprungen und verspricht ihm ein unterhaltsames Leben. Ich hatte mir immer eingebildet, als braver Deutscher und Goethe-Verehrer hatte ich mir bis vor drei Tagen eingebildet, der Teufelspakt sei dazu da, um neue Erkenntnisse, um bessere Forschungsergebnisse zu erzielen. Er verkauft seine Seele sozusagen für ein anständiges Drittmittelprojekt, hatte ich gedacht, das könnte jeder Forscher heute verstehen. Aber nein,dieser verklemmte Doktor braucht den Teufel fürs Amüsement, um sich mal zu besaufen und ein junges Mädchen zu verführen, ein Kind von grad mal vierzehn Jahren. Das besticht er mit Juwelen, ermordet den Bruder, freie Bahn beim Schwängern, so ist es doch. Für den Genuss, für den berühmten Augenblick! Und nicht für den Fortschritt der Wissenschaft! … Richtig, im zweiten Teil kommt er ein bisschen zur Vernunft und entfaltet unternehmerisches Denken, aber auch da macht er ja alles falsch … Das ist nun die größte deutsche Dichtkunst, mit solch einer Flasche als Helden … Da ist es ein Wunder, dass wir trotzdem Exportweltmeister geworden sind … Können Sie sich das vorstellen, Faust als Fan von Charlie Chaplin? … Sehen Sie, das ist noch ein Unterschied zwischen Faust und mir. Chaplin war mein Liebling, ich hab ja auch gern den Komiker gegeben, immer wieder bin ich in seine Filme gerannt, solange die erlaubt waren … Überhaupt, Faust ist humorlos, das haben Sie mir beigebracht, an der Nordsee damals. Dafür werd ich Ihnen immer dankbar sein, seitdem seh ich das mit dem faustischen Willen ein bisschen lockerer, hoff ich doch …
(Rilke und Bleche)
Und ein Komiker müssen Sie bleiben, wenn Sie durchhalten wollen, wenn Sie achtzig Stunden in derWoche Bleche aussägen mit der Laubsäge, Schaltpläne entwerfen und verbessern, Material beschaffen, Geld auftreiben. Für die Bleche hab ich meine Hilfsarbeiter gehabt, alles mehr oder weniger Studienfreunde, Studenten und junge Ingenieure, die für Wochen oder für Tage, immer umschichtig, in die Werkstatt gekommen sind, die ganze Wohnung eine Werkstatt. Nur das Schlafzimmer der Eltern und das Zimmer der Schwester und die Küche waren tabu. Und zum Lohn haben sie mittags einen Teller Suppe und abends zwei Wurstbrote bekommen von meiner Mutter … Jeder hat Tausende dieser kleinen Bleche ausgesägt, sogar mein alter Vater, ich natürlich auch. Mit diesen Händen! … Nein, das war eine kleine elektrische Laubsäge, aber ein Kinderspiel war die Arbeit nicht. Die Blechrelais hatten verschiedene Formen, die hab ich auf Papier gezeichnet, dann wurde das Papier auf ein Sperrholzbrettchen geklebt, und zwischen diesem und einem anderen Brettchen, das drunter lag, steckten die Bleche, alles befestigt mit Gewindeschrauben. Und dann musste die bestimmte Form des Relais ausgesägt werden, dann wieder andere Formen, Präzisionsarbeit, sag ich Ihnen … Bleche, Bleche, Bleche, da denken Sie zwischendurch schon mal an Charlie Chaplin im Löwenkäfig und immer wieder an Rilke:
Ich muss, ich muss, ich muss!
Das
Ich muss!
war der Antrieb, das war das Aphrodisiakum, wenn Sie so wollen … Warum nicht? Erfinden hat ja durchaus etwasErotisches, etwas Spielerisches bei aller Besessenheit, meinen Sie nicht? … Die Bleche steckten auf einem Schaltstift aus Stahl, das Steuerblech oben, das Festblech unten, und dazwischen das bewegte Blech und das bewegende Blech. An der Bewegung der Bleche konnten Sie sehen, wie die Maschine gerechnet hat. Und hören, sag ich Ihnen, wie sie rechnet und rasselt und rattert! Ein Höllenspektakel, wenn Tausende von Blechen hin- und herruckeln … Im Prinzip eine Maschine aus dem Stabilbaukasten. Die Entstehung des Computers aus dem Geist des Stabilbaukastens, hat mal ein kluger Mensch gesagt … So war das in den seligen Zeiten der Mechanik, dreißigtausend Einzelteile haben wir gezählt, als wir das Gerät noch mal nachgebaut haben fürs Museum. Aber entscheidend war, dass ich die Grundsätze der Schaltungstechnik entwickeln konnte. Hier bei der A1 hat es zum ersten Mal ein duales Rechenwerk gegeben, ein Speicherwerk und ein Plansteuerwerk für die logischen Grundoperationen Und, Oder, Nicht – und natürlich das Ein- und Ausgabewerk … Ich weiß, ich wiederhole mich, aber wenn ich mich nicht wiederhole, bleibt gar nichts hängen
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