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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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mich hätte es keine PCs gegeben. Dreißig, vierzig Jahre ignorieren sie einen, und dann ist man auf einmal ein Alleskönner, ein Allmächtiger, ein Heiliger. Speziell seit dem Fall der Mauer, seit der deutschen Einheit denken ja manche, jetzt muss alles kräftig schwarzrotgold gestrichen werden. Ich hab nichts dagegen, ich hab nur was gegen das Pathos, gegen die Übertreibungen. Gerade die Amtspersonen, die holen nun die Computerentwicklung heim ins Reich, könnte man fast sagen,und dafür brauchen sie mich. Da bin ich der lebende Beweis   … Und jedes Mal wieder überlege ich, ob ich darauf eingehen soll: Meine Damen und Herren, Ihr Oberbürgermeister ist ein Trottel, auch ohne mich hätten Sie Ihren PC auf dem Schreibtisch. Aber ich bin ja ein höflicher Mensch, ich versuch es eher mit einer ironischen Bemerkung. Die Verständigen verstehen mich schon, da hab ich keine Bange   …

(Die schöne, runde Null)
     
     
     
    Das hab ich mir gedacht, jetzt wollen Sie wissen, was Ada zur A3 gesagt hat   … Ja, wenn Ada bei Turing und Aiken und Atanasoff spioniert hätte und mir verraten hätte: Du bist’s, der vorne liegt, die andern sind noch weit zurück. Aber wissen Sie was? Ich hab überhaupt nicht an irgendeinen internationalen Wettstreit gedacht. Die Namen sind mir sowieso erst nach dem Krieg begegnet. Ich hatte so viel um die Ohren, dass ich in diesen Jahren nicht eine Minute an den Gedanken verschwendet habe, es könnte irgendwo auf der Welt sich jemand mit ähnlichen fixen Ideen herumschlagen. Und selbst wenn, ich wäre nie auf die Phantasie verfallen, meine Ada, meine Phantasie-Geliebte aus dem Haus zu schicken und für mich spionieren zu lassen   … Ich brauchte sie viel zu sehr. Ich brauchte sie in meiner Werkstatt, ich brauchte sie beim Lochen und Schalten, beim Speichern und Steuern. Ich brauchte sie in meinemKopf und ich brauchte sie im Bett. Mehr muss ich unter Männern dazu nicht sagen. Und ich brauchte sie beim Feiern! Ada Lovelace, meine Liebesschnur, wie gern hätte ich mit ihr allein noch ein Glas Mosel getrunken an diesem Abend im Mai Einundvierzig   … Ich bin in der Nacht noch auf den Kreuzberg geschlendert, milde Luft, alles blühte, vielleicht sogar Fliederduft   … Wollen Sie wirklich, dass ich Ihnen das alles ausschmücke?   … Also, ich nehme mal an, dass es in dieser Mainacht war, in der wir gefeiert haben   … Es ist ja nicht leicht, die Erinnerungen exakt zu dividieren, und ich hab oft vor dem Schlafen noch mal die Beine bewegt   … Auf den Kreuzberg jedenfalls. Und der Kreuzberg war damals, was mir später der Stoppelsberg war, Urlaub, Pause, Rundblick, Überblick, Atemholen und so weiter, auch wenn es hier in Hessen mehr Wald gibt und kein Denkmal für die Befreiungskriege   … Da oben hab ich gestanden, leicht angetrunken, und Ada durch den Sternenhimmel von Berlin schweben sehen, meine Geliebte in ihren weiten Gewändern. Wir waren mitten im Krieg, Berlin ließ London bombardieren, London ließ Berlin bombardieren, und ich habe meine Liebeserklärung in die Berliner Nacht geschrien, stumm natürlich. Das klingt in Ihren Ohren vielleicht so, als hätte ich nicht immer alle Tassen im Schrank gehabt, als hätte ich nicht gewusst, was Phantasie war und was Realität. Sehen Sie, auch da hat das binäre System geholfen. Nach der Logik von Null und Einshab ich auch meine Phantasien gesteuert. Null war die Phantasie, die ganze Ada-Welt, Null war das Weib, wenn Sie so wollen, schön und rund, oval und weich. Und Eins war die Realität, war die Arbeit   … Das ist jetzt ziemlich heikel, was ich Ihnen da aufs Band lade. Eben fällt mir wieder ein, was mir vor kurzem ein sehr gescheiter Berliner Informatiker erzählt hat, der seinen Leibniz besser kennt als Sie und ich zusammen. Für Leibniz war die Eins Gott, der Schöpfer, und die Null der Teufel, der Vernichter. Wie krieg ich das jetzt mit meiner schönen Ada-Null zusammen? Helfen Sie mir! Na los!   … Für mich war Ada die Schöpferin   … Lassen wir den Widerspruch stehen, wir müssen dem Leibniz nicht alles glauben. Ich hab jedenfalls immer gewusst, ob ich Ada in der Dimension Null begegnen wollte oder in der Dimension Eins. Das dürfen Sie aber bitte nicht den Feministinnen verraten, die sind sowieso sauer auf mich, weil ich Ada Lovelace früher entdeckt habe als die. Das gibt eine hübsche Wortprügelei, wenn die alles missverstehen: Null war das Weib und jetzt auch noch der Teufel. Dabei war Null eben nicht nur

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