Die Frau, für die ich den Computer erfand
das Weib. Sondern das waren Ada und ich. Und Eins war die Maschine, die A 3, dann die A4 … Aber eh wir auf die kommen, muss ich Ihnen noch ein drittes Märchen erzählen …
(Eine Woche Ostfront)
Es war einmal an einem schönen Septembertag des Jahres 1941, da klopfte jemand an meine Tür in der Methfesselstraße. Ich war nicht erschrocken, ich erwartete an diesem Vormittag meinen Freund Hartmut, der immer später kam als verabredet, Sie erinnern sich, der Röhren-Hartmut. Mir war freudig ums Herz, ich brauchte ihn bei einer kniffligen Frage. Aber es war der Briefträger mit einem Einschreiben der Wehrmacht. Meine Uk-Stellung war aufgehoben, ich hatte mich binnen zwei Tagen in einer Tempelhofer Kaserne einzufinden, die Marschrichtung war klar: Ostfront. Im Juni hatte der Feldzug gegen Moskau begonnen, nun war man nicht so schnell vorangekommen wie gedacht, der Nachschub war schwierig, die Verluste waren hoch, der Winter stand bevor, sie brauchten jeden Mann. Was das bedeutete, war klar. Aus dem Osten kam man nur verwundet oder tot zurück … Sie denken vielleicht, der übertreibt, der hat das damals doch gar nicht wissen können. Aber Sie irren sich, so realistisch dachte man, und es war keiner scharf auf Moskau. Ich war ja dafür, für neuen Lebensraum, das geb ich zu, aber doch nicht ausgerechnet im russischen Schnee und Eis … Selbst wenn ich zu denen gehören sollte, die unverletzt bleiben, hab ich gedacht, ein Jahr, ein halbes Jahr mindestens muss ich meine Geräte allein lassen. Ehrlich, ich hab mehr an die A3und die A4 als an die Familie gedacht. Und noch mehr an Ada. Ich habe, auch das darf ich heute gestehen, ja, ich habe zu Ada gebetet, einen anderen Gott, eine andere Göttin hatte ich nicht. Ich habe gebetet, nach ein paar Monaten wieder heimkommen zu dürfen, heil und gesund, um die Arbeit fortzusetzen. Schon das war kühn, Wehrkraftzersetzung im Geiste. Dann die Uniform angezogen, die Eltern haben geweint, meine Schwester war die Tapferste: Weihnachten bist du wieder hier! Und meine Gefühle? Der Schmerz, die Geräte zurückzulassen, das war der größte Schmerz, den ich bis dahin gekannt habe. Wer sollte jetzt die Pläne für die A4 voranbringen? Was sollte aus der A3 werden, in die ich fünf Jahre lang alle Kräfte gesteckt hatte und die nur ich in allen Details verstanden habe und die nur ich warten konnte? Auf solche Fragen gab es plötzlich keine Antworten mehr, es ging alles schnell, als hinge der Verlauf des Krieges von uns paar Hanseln ab: Kaserne, Uniform, und ab mit der Truppe nach Osten … Und dann, irgendwo in Polen, wurde ich zum Hauptmann befohlen: Unabkömmlich! Ich war wieder ukgestellt! Ich, der einzige aus einem Haufen von mehr als hundert Reservisten. Ada hatte geholfen, Henschel hatte geholfen! Ich durfte nach einer Woche wieder zurück nach Berlin! Das war kein Glücksgefühl, sag ich Ihnen, als ich in der Eisenbahn saß, ich sah meine Kameraden in die andere Richtung fahren. Es war eher ein Schicksalsgefühl, falls man das heute so sagen darf.Ich war auserwählt, nicht in Russland zu verrecken. Bis auf weiteres jedenfalls. Warum gerade ich, hab ich immer wieder gefragt. Und die einzige Antwort war die: Auch wenn du deine Uk-Stellung der Arbeit an der Fernlenkbombe bei Henschel verdankst, du hast einen Auftrag. Das Schicksal hat dir den Auftrag erteilt, deine Universal-Rechner zu entwickeln. Du hast dich an Ada gewandt, Ada hat dich erhört, Ada hat entschieden, dass du weiterarbeiten darfst. Ada, deine mächtige und blitzgescheite Frau. Ada, dein Schutzengel. Das war das Märchen, ein noch viel märchenhafteres Märchen als das von der ratternden A1 und der funktionierenden A 3! … Lächeln Sie nur, junger Mann. Sie haben das nie erlebt. Sie kennen das noch nicht, die Dankbarkeit, dem ziemlich sicheren Tod entkommen zu sein. Sie kennen das nicht, nehme ich an, wie man sich in Leib und Seele einen Ruck gibt. Wie man aus schlichter Dankbarkeit seine Tage noch verantwortungsvoller und produktiver zu gestalten versucht und dabei tatsächlich ganz glücklich und zufrieden wird. Entschuldigen Sie, ich kann das jetzt nicht so kühl ausdrücken wie meine Softwarebrüder. Glücklich und zufrieden trotz Bomben und zu wenig Lebensmittelmarken und all der Schwierigkeiten, Schwierigkeiten ist gar kein Ausdruck für den Alltag im Kriegsberlin. Wissen Sie, wenn ich müde wurde über den Drähten und Schaltungen an einem langen Samstagabend oder geflucht habe
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