Die Frau, für die ich den Computer erfand
sehen daran wieder, wie schwer es ist für die Kollegen von der Künstlichen Intelligenz, unsere Assoziationswelten oder -wellen mit Programmierkunst nachzubauen und nur die schlichtesten Netzwerke im Gehirn in Programme zu übersetzen. Ungelöste Fragen, jede Menge … Ich muss mich nicht mehr damit herumschlagen! Ein schönes Gefühl! Eine Befreiung! Sechzig Jahre linear und logisch denken sind genug! Einfach reden, wie das Gehirn gewachsen ist oder meinetwegen der Schnabel …
(Der Ingenieur im Hochgebirge)
Ja, was macht er, der Ingenieur im Hochgebirge? Gute Frage. Meine Frage, falls Sie sich erinnern … Wenn er nicht mehr an seine Hardware rankommt, wenn die im Heu versteckt bleiben muss, wenn esverboten ist von den Alliierten, sich mit solcher Technik zu beschäftigen, dann, was macht er dann? Dann denkt er über Software nach. Und wenn Pilze und Löwenzahn gesammelt sind, die Konserven ertauscht und Brot und Milch mit Gemsenbildchen bezahlt … Ach ja, die Schnecken. Wenn die gebratenen Schnecken schwer im Magen liegen, dann hat er Zeit zum Nachdenken … Das Programmieren, diese Kunst war noch völlig unbekannt. Es gab noch nicht mal den Begriff, und das Wort Software steckte in der Küche oder sonstwo. Was heute auf einem fingernagelgroßen Siliziumplättchen in tausendstel Sekunden gerechnet wird, das musste erst mal vom Prinzip her erfasst und erfunden werden. Es musste erst mal einer damit anfangen, das Rechnen in ausführbare Arbeitsschritte zu zerlegen und die nach Plan in Unterprogrammen auszuführen, Schrittchen für Schrittchen. Die Welt besteht eben nicht nur aus Und, Oder, Nicht, sondern aus einem unendlichen Netz von Und-, Oder-, Nicht-Schaltungen, ganze Galaxien von Und, Oder, Nicht. Solche Netze knüpfen Sie nur mit höchstem mathematischen Wissen, mit einer Theorie des Rechnens und mit Kenntnis von den Möglichkeiten des Geräts. Ein arbeitsfähiges Betriebssystem musste her, standardisiert und normiert nach ingenieurmäßigen Grundsätzen. Das hatte noch keiner gemacht, bis dahin. Heute ist uns das so selbstverständlich, dass selbst mir schwindelt, wenn ich an die Steinzeit vor fünfzigJahren zurückdenke. Auch Turing und von Neumann grübelten daran herum, in der Theorie, in der reinen feinen Theorie, aber das Programmieren in Hinblick auf eine gegebene Hardware, also das, was heute Millionen Informatiker in aller Welt betreiben, daran dachte 1945 noch kein Mensch … Also musste ich wieder mal ran … Ich kann nur hoffen, dass auch dümmere Leute als Sie und ich meine Ironie mithören … Eine hübsche Beschäftigung, die Welt in Ja-Nein-Werte zu zerlegen, wenn Sie ein Kind im Arm halten, über eine Blumenwiese gehen oder von Kühen angeglotzt werden … Ich erinnere mich, es muss früher Herbst gewesen sein, ein warmer Tag, ich war aus dem Wald heruntergekommen, hab mich auf einen Wiesenhang gesetzt und ins Tal geblickt, wie man das so macht. Ein paar Höfe an den Hängen, jede Menge Rindviecher, Wiesengrün, Tannengrün, unten das Dorf, nicht weit ein Kruzifix. Selbst in den Kruzifixen hab ich das binäre Prinzip walten sehen im Längsbalken und im Querbalken. Und bei den Rindviechern hab ich studiert, ob sie die Augen immer gleichzeitig schließen oder ausnahmsweise einmal ein einzelnes Auge mit dem Lid bedecken … Ja, wenn man seiner Zeit voraus ist, muss man aufpassen, dass man nicht für verrückt gehalten wird. An diesem Nachmittag, das weiß ich noch, hatte ich Lust, in einen Apfelbaum zu steigen, die Frühäpfel wurden reif. Man hätte mich gesteinigt, auch unter dem Kruzifix, wenn man mich erwischt hätte. Untenvom Dorf kam der Briefträger hoch, ein freundlicher Alter, der am Nachmittag die Bergbauern belieferte. Also, ich sitze auf meinem Wiesenhang, beobachte die Käfer und Krabbeltiere und grüble über meinem Notizbuch. Endlich steigt der Briefträger bei mir vorbei, ich grüße, er grüßt «Servus, Herr Dichter!». Wenn man als Nachdenker, als Nichtstuer, als Flüchtling mit Dichter begrüßt wird, dann ist das ja noch die freundlichste Sorte Spott. Selbst in Neukirchen, wenn ich da an einem Samstag zum Nachdenken losgestiegen bin, rauf auf den Stoppelsberg, haben mich die Bauern für einen Faulpelz gehalten. Obwohl sie wussten, dass ich so viele Stunden in der Firma geschuftet habe wie sie auf ihren Höfen … Was ich sagen wollte, dies «Servus, Herr Dichter!», das hat mich in Schwung gebracht. Ein entscheidender
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