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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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(Mein intimstes Geheimnis)
     
     
     
    Es ist mir manchmal doch unangenehm, merke ich, wenn Sie nach Ada fragen. Sie ist natürlich ein gefundenes Fressen für Sie, das ist klar, Liebesgeschichten verkaufen sich ja immer gut. Aber mir fällt es wirklich nicht leicht zu antworten. Wie gesagt, ich habe nie über sie geredet, eigentlich niemals laut ihren Namen genannt, ein ganzes Leben lang nicht. Es spricht sich einfach leichter über Analog-Digital-Wandler, vielleicht sogar leichter über die Relativitätstheorie als über Gefühle, über solche Gefühle. Mir geht es jedenfalls so. In Ada steckt die ganze Algebra meiner Gefühle. Und jetzt, nachdem ich mich entschieden habe, leichtsinnigerweise, mein intimstes Geheimnis preiszugeben, macht mich das doch ziemlich verlegen trotz der vorgerückten Stunde und trotz unserer guten Flasche Riesling. Deshalb red ich dann lieber über den alten Philipp als über Ada   … Ich will nicht verwechselt werden mit einem balzenden Auerhahn. Ist Ihnen schon aufgefallen, da fehlt die Auerhenne, um die der Hahn balzt, die Dame bleibt unsichtbar   … Hätte ich meine Ada auch unsichtbar lassen sollen, auf meinem Reklamebild?   … Richtig   … Andererseits, denk ich manchmal, vielleicht hab ich Ada auch nötig gehabtals eine Art Anti-Mephisto, verzeihen Sie solche verrückten Gedanken   … Damit ich keinem Mephisto in die Falle renne. Ich hab ihn ja im Nacken gespürt, seinen Atem im Nacken, hin und wieder   … Na, was sagen Sie?   … Da sagen Sie nichts, keine Einfälle mehr, keine Fragen mehr? Verstehen Sie, was ich meine?   … Das Weibliche, das Konstruktive, das Spröde, das Schöne – genau das Gegenteil von Mephisto, wenn ich das richtig sehe. Das mag Ihnen platt vorkommen, das müssen wir noch mal vertiefen. Nur nicht jetzt, wo Sie gerade Ihren toten Punkt haben und schon zum zweiten Mal Ihr Gähnen nicht verstecken können. Passen Sie auf, Sie beleidigen mich. Auch ich hab meine empfindlichen Seiten, vergessen Sie das nicht! Und wenn ich beim Thema aller Themen bin, bei der Liebe, und wenn ich hier freiwillig und in aller Offenheit meinen empfindlichsten Punkt anspreche, Ada Lovelace, dann haben Sie gefälligst nicht zu gähnen! Sonst breche ich unser Gespräch ab. Passen Sie auf, dies war die erste Mahnung   … Ada als Anti-Mephisto, merken Sie sich das Stichwort   … Nun, fragen Sie los, ich seh schon, wie Sie Ihren ganzen Mut zusammennehmen. Ich seh schon, welche Frage Sie jetzt auf der Zunge haben, ob ich Ada meine Seele verkauft habe, stimmt’s?   … Da würde ich nein sagen, ich hab meine Seele an Ada gehängt, aber wir haben keinen Vertrag geschlossen. Verkauft, wer liebt, seine Seele? Das sollen die Philosophen entscheiden. Jedenfalls schwöre ich, dass von einemVerkauf dieser unsichtbaren Ware, die wir Seele nennen, nicht die Rede sein kann, nicht an Mephisto oder eine andere Sorte Teufel. Auch nicht an die Luftwaffe oder IBM oder eine englische Lady. Oder was meinen Sie? Sie sind doch inzwischen der Experte für meine Seelen und Sünden. Krieg ich das große Ego-te-absolvo von Ihnen?   … Danke, sehr großzügig. Trotzdem weiß ich nicht, ob es richtig war, mein intimstes Geheimnis preiszugeben und ausgerechnet einem Fremden wie Ihnen. Der gähnt, wenn ich auspacke!   … Sagen Sie nichts! Jetzt ist es passiert, jetzt müssen wir durch. Das hab ich davon, dass mich der Ehrgeiz juckt, im Alter radikal ehrlich zu sein. Ich will ja nur, dass die Leute wissen, dass ich nicht bloß ein Rationalist, ein sturer Ja-Nein-Denker gewesen bin, ein digitaler Idiot. Ich will, dass man auch meine andere Seite sieht, die Phantasie, die Spielerei, das Verrückte und Versponnene, die Kunst. Und die Fähigkeit zu einer Liebschaft mit Ada, mit der Muse, mit einer Helena oder wie immer Sie diese Leidenschaft nennen. Ich hab nur leider nicht gelernt, über Leidenschaften so offen und frei zu sprechen wie über Formeln und Schaltungen   … Apropos   … Jetzt darf ich Sie um eine Definition bitten: Was, bitte, ist ein Algorithmus?   … Ich weiß, ich bin gemein. Aber ich habe von meinen Mitarbeitern immer viel verlangt, sehr viel. Und heute sind Sie mein Biograf, also mein Mitarbeiter, nichts anderes. Außerdem werden Sie wach, wenn ich Sie trieze. Also   … Da fehltaber noch was:   … Zur Lösung definierter Probleme. Na ja, das ist bestenfalls eine Vier minus, Herr Dr.   Erstklässler. Vor einer halben Stunde ungefähr haben Sie die Definition

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