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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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vergleichen. Das führt ja nur zu Inzucht, wenn man dauernd vergleicht. Dann ist irgendwann alles gleich   …

(Die Stille zwischen Null und Eins)
     
     
     
    Nein, als ich die Grundzüge des Programmierens entworfen habe, da war mir, das ist ja der Witz, nichts bekannt von Adas Fertigkeiten als Programmiererin, immer noch nicht. Ich wusste so gut wie nichts von ihr. Eine Anmerkung, zehn Zeilen. Ich hatte sie als schöne Mathematikerin vor Augen, als Mitarbeiterin eines gewissen Mr.   Babbage, und als meine Beschützerin   … Und Muse, falls Sie einem Ingenieur auch eine Muse zugestehen wollen. In Ihrer Branche haben Sie doch neun Musen, da können Sie den Ingenieuren eigentlich eine abgeben   … Nein, es gab noch nicht mal das Wort Programmierer. Und ich habe rein gar nichts von ihren wirklichen Leistungen geahnt. Wie hätte ich darauf kommen sollen, dass man sie später als die erste Programmiererin feiert? Als die große Mutter der Software, und dass die Militärs sie missbrauchen für ihre Zwecke? Eine Vergewaltigung, dazu später, erinnern Sie mich   … Ich habe nichts geahnt von ihren Leistungen. So wie man jahrzehntelang von meinen Leistungen nichts geahnt hat. Da sehen Sie, wie gut wir zusammenpassen! Auch wenn sie, wir wollen ja nüchtern bleiben, nur meine Phantasiegestalt war   … Das will ich nicht ausschließen, so genau kann das keiner wissen, vielleicht hat mich ihr Geist in den Allgäuer Bergen mehr beflügelt als ich bemerkt habe. Vielleicht hat die Dichtertochter mir was ins Ohr geflüstert,als der Briefträger Herr Dichter zu mir sagte. Es ist ihr alles zuzutrauen   … Es ist ja ein Quatsch, von der Stunde Null zu sprechen. Ich würde sagen: Stunde Null und Eins. Wo die Null ist, ist die Eins nicht weit. Die Welt stand still, als ich die Formel aller Formeln suchte, jedenfalls hab ich mir das eingebildet, im Kopf tobten die Phantasien. In dieser Stille zwischen Null und Eins war es mir vergönnt, den Grundstein fürs Programmieren zu legen. Es gibt Leute, die behaupten, das sei meine größte Leistung gewesen: der erste Informatiker der Welt. Andere sagen   … Halten Sie das noch aus, wenn ich schon wieder, ein letztes Mal hoffentlich, von den Verdiensten rede, die man mir zuschreibt?   … Trösten Sie sich, in Braunschweig hätten Sie das alles auch gehört, nur nicht in meinen Worten, und dazu noch Champagner trinken müssen!   … Andere sagen, die Erfindung der relationalen Datenspeicherung, der Künstlichen Intelligenz, sei noch mehr wert. Verstehen Sie mich richtig, es geht wirklich nicht um die ersten Plätze. Die Rangelei um die Rangfolge interessiert mich nicht. Ich will nur andeuten, wie kreativ diese Zeit gewesen ist. Und das zwischen den Allgäuer Bauern, als ich noch nicht mal die Groschen hatte, um mit denen ein Bier zu trinken! Mit oder ohne Adas Rückenwind, ein Rausch des Denkens und Schreibens   … Bringen wir das schnell hinter uns, damit Sie mich nicht zur Partei der Angeber   … Die ersten Überlegungen zur Automatisierung in der Industrie, zur Prozess-Steuerungvon Werkzeugmaschinen, der Schachcomputer, das mechanische Gehirn, der Kosmos als gigantische Rechenmaschine. Alles wie nebenbei, während draußen die Schneeflocken fielen und drinnen das Kind in den Schlaf gesungen wurde. Ideen, die sich erst dreißig Jahre danach durchgesetzt haben   … Der Bundeskanzler hat ja mal von der Gnade der späten Geburt gesprochen, erinnern Sie sich? Ich hadere wirklich nicht mit meinem Schicksal, aber wenn ich denn hadern wollte, könnte ich sagen: Die Ungnade der frühen   … Nein, ich will nicht sagen Geburt   … Der zu frühen Idee. Die Ungnade der zu frühen Geburt der Ideen. Wäre das eine Überschrift für Sie?   … Nun ja, ich kann nichts dafür, dass die anderen etwas langsamer ticken als ich. Stolz bin ich nur darauf, dass ich nicht verrückt geworden bin. Wer zu früh auf die richtigen Gedanken kommt, und noch dazu ziemlich allein, der kann schnell abstürzen in die Rolle des verkannten Genies, schrecklich. So viele gute Leute sind in der Pionierzeit vor die Hunde gegangen, und die hatten zur Rückenstärkung halbe Armeen oder ganze Konzerne. Bin wahrlich kein Freund der These, dass Künstler, Wissenschaftler und Erfinder hungern müssen, um Spitzenleistungen abzuliefern. Aber es hat mir nicht geschadet, dass es als Lohn für die grundlegenden Gedanken zur Informatik nicht viel mehr als Brennesselsalat gab. Das wär mal eine Preisfrage für die

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