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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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sind Sie durchaus begabt! Jetzt haben Sie sogar eine meiner fixen Ideen erraten, Sie Schlauberger. Als die Amis ihre Manöver veranstaltet haben hier auf dem Stoppelsberg und die Hubschrauber über den Vulkankuppen herumgeflattert sind, da hatte ich manchmal die Idee: Ein Hubschrauber fliegt auf mich zu, wirft ein Netz aus und nimmt mich mit. Ich werde gefangen und in die USA transportiert und da irgendwo abgesetzt. Irgendwo abgesetzt, wo Computer entwickelt werden und wo ich alles hätte, reichlich Forschungsgelder, Assistenten, Wohlstand und die Familie, und nullkommanull Sorgen um die Firma und um hundert, fünfhundert, tausend Angestellte. Ja, ob mir das gefallen würde, ob ich das gerne hätte, ich hab mir nie eine eindeutige Antwort geben können, ich als Amerikaner   … Ich weiß nicht mal, ob ich das bedaure   … Achtundvierzig fand ich die Leute viel freundlicher als die Briten, ungewohnt herzlich, die Wissenschaftlersehr offen, sogar uns komischen Germans gegenüber. Dabei hatten die gerade gegen uns gekämpft   … Ja, das Land Edisons, das Land Einsteins, das Land Aikens, die Röhren-Landschaft von Eckert und Mauchly, das hätte mich schon gelockt   … Aber, von der Sprache mal abgesehen, ich glaube, ich bin einfach zu sehr als Deutscher programmiert, mit den Ja-Nein-Werten von Faust und Rilke und Spengler in der Brust. Und neue Software in einen Menschen schieben, das ist nicht so einfach   … Nein, das ist kein Zufall, dass mir immer wieder der Spengler einfällt. Leben, sagt er, heißt für den faustischen Menschen kämpfen, überwinden, sich durchsetzen. Und in den Staaten kam mir alles so leicht und locker vor, als müsse man dort nicht kämpfen. So viel Geld für die Forschung, Neugier auf frische Ideen, die Fähigkeit, schnell die Meinung zu wechseln, wenn neue Fakten auftauchen, alles schien so selbstverständlich. Ich wusste, der Eindruck täuscht. Keine Ahnung, wie ich da ins Flattern gekommen wäre mit meinem schwerdeutschen Erbe, mit meiner bodenständigen Mentalität   … Sehen Sie, das können Sie sich auch nicht vorstellen. Nichts gegen die Rocky Mountains, aber die Rhön ist doch irgendwie   … Darf man das sagen, menschlicher? Sehen Sie, das würde der Amerikaner nie verstehen, der denkt groß, größer, am größten   … Bis weit in die fünfziger Jahre hinein hatte ich die fixe Idee mit den Hubschraubern. Die Phantasie, eines Morgens in einem Holzhaus irgendwo in denUSA aufzuwachen und in einem Buick zur Arbeit zu kutschieren und an einer A6 oder A7 zu basteln   … So hab ich eben auf deutschem Acker meine bescheidene Ernte eingefahren. Manche Leute behaupten ja, die ganze Informatik hätte eine andere Entwicklung genommen, wenn ich mich damals anders entschieden hätte. Und die Schätze aus meiner Schublade gehoben hätte!   … Lassen wir die Spielchen. Ich kann wirklich nichts dafür, dass man erst in den sechziger Jahren in den USA und Europa wieder bei meinen Grundgedanken von Fünfundvierzig angekommen ist: Die Software ist eine Aufgabe für Ingenieure, nicht für Halbgötter und selbsternannte Künstler. Sie muss standardisiert werden. Da hat die Nato kräftig gedrängt, bis dies Ziel klar war. Und wie lang hat es gedauert, bis man sich zusammengesetzt hat, in Garmisch-Partenkirchen witzigerweise, nur ein paar Kilometer von meinem Allgäuer Nest, wo ich gut zwanzig Jahre vorher den Stein der Weisen schon gefunden hatte. Zufälle gibt es! Ada hat bestimmt fröhlich gekichert. In Garmisch und in Rom, da hat die Nato die Experten zusammengerufen, um dem Babel der Programmiersprachen ein Ende zu machen. Wissen Sie, wann das war?   … Schätzen Sie   … Nein, 1968.   Bildungslücke, Herr Journalist. Wieder eine unverzeihliche Bildungslücke. Bei 1968 denkt die deutsche Intelligenz immer nur an das Eine. Aber die eigentliche Revolution hat unsere Branche geschafft   … Nein, daran hatte ich überhauptkeinen Anteil, in der Zeit kannte mich kein Schwein. Trotzdem, da bin ich dabei, wenn wir Ihnen in aller Form die Zunge herausstrecken. Ätsch! Wir feiern das wahre Achtundsechzig! Da hat er begonnen, der Siegeszug der Rechner, immer kleiner, immer schneller, der Aufstieg der Software-Ingenieure, der Boom der Informatik   … Und die Doktorhüte   …

(Einsteins Zunge)
     
     
     
    So simpel schaltet das Hirn. Bei Zungerausstrecken denkt mittlerweile jeder an Einstein, auch wir beide denken sofort an Einstein. Jeder kennt das berühmte Foto, wie er die Zunge

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