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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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Heerscharen von Informatik-Professoren mit ihren hübschen Bezügenund Pensionsansprüchen: Welches Honorar erhielt der erste Informatiker der Welt, Brennesselsalat oder Löwenzahnsalat?   … Ja, wahrscheinlich wäre auch ich verrückt geworden, wenn ich nicht bei Null hätte anfangen müssen. Wenn ich nicht Unternehmer geworden wäre. So lernt man vergessen und warten. Na ja, mehr oder weniger warten, bis die andern aufgeholt haben und mit zehn, zwanzig, dreißig Jahren Verspätung anerkennen, dass der Begründer der ersten höheren, der ersten algorithmischen Programmiersprache der Welt und der Künstlichen Intelligenz mit meiner Person ziemlich identisch ist. Und dass das eben etwas dauert, bis sich das bis nach Harvard und Kalifornien herumspricht   … Entschuldigen Sie, wir waren beim Stichwort Verrücktwerden. Es hat mir geholfen, dass wir den Krieg verloren haben. Es war ein Glück, dass wir den Krieg verloren haben. Mit der Hardware war Schluss, und wann hätte ich sonst die Gelegenheit gehabt, weit ab von der Welt in diesem bayrischen Dorf alle Konzentration auf so schwierige Dinge zu lenken? Was sollte ich denn 1945 anderes tun als die Informatik zu begründen?   … Da sagen Sie nichts. Frieren Sie?   …

(Ein balzender Auerhahn an der Wand)
     
     
     
    Nein, Ada hat mir nicht verraten, welchen Vorsprung unser Gerät vor den andern hatte. Die Scheinwerfer und Blitzlichter der Welt haben sich bekanntlichauf Mark 1 gerichtet mit dem plumpen Dezimalsystem und auf den Röhrenrechner ENIAC, der noch nicht frei programmiert werden konnte. So ist das halt, wenn man den Krieg verloren hat. Da richten sich die Scheinwerfer und Blitzlichter nicht auf einen Heuschuppen im Gebirge oder auf einen Mann, der über die Wiesen streift und Löwenzahn rupft, ist ja klar   … Ja, Sie haben recht, der Wind, es wird ein bisschen kühl jetzt. Gehen wir rein. Da müssen wir halt den guten Mond allein lassen. Sehn Sie, der zieht eine Schnute, der ist beleidigt   … Schon seltsam, früher hieß es immer, die Alten sind kälteempfindlich, und jetzt wird es nicht mir zu kalt, sondern Ihnen. Umwertung aller Werte, da haben wir es wieder! Was hätte Nietzsche dazu gesagt, dass heute die Jungen frieren und am Ofen sitzen und die Alten in der Sommernacht den Mond anschwärmen! Auf nichts mehr kann man sich verlassen!   … Hier ist es doch besser als draußen, Sie hatten schon recht   … Rudi, bring noch zwei Flaschen Wasser, geh endlich schlafen und lass uns hier sitzen, ich mach das Licht aus, keine Sorge   … Und, vermissen Sie den Mond?   … Dafür haben wir den guten alten Auerhahn im Blick. Früher war der in jeder zweiten Kneipe zu finden, wie ein Schutzpatron der Biertrinker in der Gegend zwischen Hünfeld und Hersfeld und Lauterbach. Heute ist es ziemlich verdrängt, das Auerhahn-Bräu aus Schlitz. Ein ausgestorbener Vogel, oder fast ausgestorben, ein balzenderHahn als Wappen auf dem Bier, das war mir immer sympathisch. Der alte Vogel erinnert mich an die fünfziger Jahre   … Sie haben recht, Sie haben schon wieder recht, so weit sind wir noch nicht. Wir wollen schön brav in der Ordnung der Jahre bleiben. Seien Sie nicht so streng mit mir!   … Wir waren bei Ada im Allgäu, ich weiß. Aber ich sitze im Geiste gerade mit dem alten Philipp an diesem Tisch, dem Vater von Rudi. Den werden Sie nicht mehr erlebt haben. Das war ein Pfundskerl, sag ich Ihnen, und ein Erzähler, dem konnte ich stundenlang zuhören. Der kannte die alten Sagen und Schwänke dieser Gegend und der kannte die Dörfer ringsum und ihre Geschichten. Der Philipp, das wollte ich sagen, der hat auch nie nach der Ordnung erzählt, der ist ständig gesprungen. Der hat eigentlich immer durcheinandergeredet, so wie seine Assoziationsketten liefen. Man wusste nie, ob das, was er sagt, vor drei Jahren oder vor dreißig oder hundert Jahren passiert war oder ob es nur Gerüchte waren oder Erzählungen von Erzählungen. Der tat so, als hätte er die Raubritter, die Grafen Haune auf der Burg hier oben, noch persönlich gesprochen. Ich fand das wunderbar, dies Durcheinander. So schön wild und durcheinanderzureden, das schaff ich nie. Philipp, das war Urlaub, alles extrem unlogisch. Aber er kannte seine Leute im Haunetal. Die Biertheke ist ein guter Beichtstuhl, am Zapfhahn erfahren Sie mehr, als wenn Sie mit Ihrem Mikrofon ankommen. Na ja, an diesemTisch hab ich viel gelernt über die Gegend hier und die Leute, die bei mir gearbeitet haben  

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