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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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Kriegstagen die Papiere genommen habe, um aus der V4 eine A4 zu machen. An die V2 durfte nun wirklich nichts mehr erinnern, eskursierten schon Gerüchte über die Höllenmaschine im Schuppen. Das war natürlich ein schäbiger Akt von mir, opportunistisch, wie man eben sein musste, wenn man die eigene Haut retten wollte. Vielleicht hatte ich irgendwie ein schlechtes Gewissen vor Ada   … Sie sind ganz schön frech, junger Mann   … Aber das ist eine interessante Frage, das muss ich zugeben. Wir wollten ja über Faust reden, also mein Pech, dass Sie mich wieder daran erinnern   … Ist schon richtig, die meisten Erfinder haben ihr Gretchen geschwängert und dann sitzenlassen, jeder hat seine Leichen im Keller. Ich bin auch kein besserer Mensch als die andern, aber ein Gretchen hab ich nicht, nennen Sie das, wie Sie wollen, ich hatte einfach keins. Ich hatte meine Ada, und die hat mich bekanntlich nicht kaltgelassen. Eine reife Frau, keine Vierzehnjährige   … Man kann mir vorwerfen, dass ich mich opportunistisch verhalten habe, aber ich hab Ada nie verstoßen, ich hab ihr weiter die Treue gehalten, trotz meiner Ehe, das sieht man schon an den Namen der Rechner. Es war mitten im Zusammenbruch, als wir unsere Krise hatten, danach ging es ja weiter im schönsten Einvernehmen   … Nein, ich bin nicht beleidigt, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Es ist eine sehr interessante Hypothese, und ich bin immer für interessante Hypothesen zu haben, sogar gegen zwei in der Nacht. Prost!   … Wissen Sie, ein alter Kerl wie ich muss seine Zeit nutzen. Nicht nur die Tage, auch die Nächte, warum dennnicht. Und statt den Mond anzubellen erzähl ich Ihnen doch lieber, was ich bei der
Faust-
Lektüre neulich gedacht habe. Ada war meine Helena, wenn ich mal übertreiben darf, nicht mein Gretchen. Eine Phantasiegestalt, die Schönheit schlechthin, die Sehnsucht in Person, präsent nach Wunsch, ideal, produktiv, rund um die Uhr. War es nicht so, dass Faust und Helena den Homunculus gezeugt haben? Den künstlichen Menschen aus dem Glas, das hat mich schon immer fasziniert, wie hier die Idee eines künstlichen Wesens, das denken kann, durchgespielt wird. So ein Faust wär ich natürlich von Herzen gern gewesen, der mit einer Dame wie Helena oder Ada einen neuen Menschen zeugt!   … Ach so, Euphorion. Und der hatte nichts mit Homunculus zu tun?   … Natürlich, ja, logisch. Das hatte ich falsch gespeichert, ist auch zu viel Gewusel im
Faust Zwei
. Aber der Homunculus, der zeigt doch, dass der Goethe was vom Computer geahnt hat, und er macht sich schon lustig über das künstliche Wesen, das denken kann. Und, das ist spannend, aber jetzt müssen Sie mir helfen, ich will mich nicht schon wieder blamieren, bezeichnet der Homunculus nicht Mephisto als seinen Vetter?   … Danke   … Ja, darauf bestehe ich, und das hab ich am frühen Abend vielleicht schon mal gesagt, Ada ist, wenn wir sie vergleichen wollen, dann ist sie Helena   … Ach was, dem Faust gönnt man auch sein Glück mit der Griechin. Dann kann man mir doch auch mein Glück mit der Engländerin gönnen,oder nicht? Ohne Wahnsinn keine Liebe, so les ich die Helena-Geschichte, so ähnlich sagt das doch der Faust. Nur wer liebt, ist lebendig, das ist doch die Botschaft, oder?   … Auch bei einem Altersunterschied von hundert Jahren oder hundertfünfzig   … Das ist gut! Dreitausend Jahre, auch kein schlechter Altersunterschied. Das werd ich mir merken! Und das sagen Sie nicht, um mich zu trösten?   … Dreitausend Jahre, und die haben sich auch nach Kräften geliebt. Das ist für eine Weile gutgegangen mit Faust und Helena, auf ideale Weise gutgegangen, wie sich der Goethe das ausgemalt hat   … Wir haben unsere Lovestory selber ausgemalt, Ada und ich.
Bewundert viel und viel gescholten Helena
, großartig dieser Auftritt   … Auch wir haben unsere Kinder, von der A1 angefangen. Unsere Draufgänger, unsere Alles-oder-nichts-Maschinen, unsere rechnenden Euphorions   … Wunderbar! Das gefällt mir! Ich lerne wirklich was von Ihnen! Wenn der Goethe den stürmischen Euphorion dem Vater Byron nachgebildet haben soll, dann schließt sich ja ein Kreis. Ada als Mutter ihres Vaters. Das geht ein bisschen zu weit, oder?   … Sie wollen sich nicht etwa anschmeicheln damit? Sie wollen mich nicht etwa verrückt machen mit solchen Storys, so wie Ada am Ende verrückt wurde?   … Bewundert viel und viel gescholten Ada Byron   … Nein, man soll nicht dauernd

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