Die Frau im Fahrstuhl
Arbeit. Das Haus war zu groß. Seine Leere und die vielen Erinnerungen, die in seinen Mauern hingen, wurden übermächtig. Außerdem lag es ein Stück vom Zentrum entfernt. Er war auf sein Auto angewiesen, um zu den Geschäften, zum Zahnarzt, ins Ärztehaus, eigentlich überallhin zu kommen. Und wenn er einmal nicht mehr Auto fahren konnte? Undenkbar!
Er sollte wirklich ins Zentrum ziehen.
Der Entschluss reifte in einem kalten und schneereichen Winter.
Er würde umziehen.
Am ersten Werktag im März ging er zur Wohnungsbaugesellschaft, um sich auf die Warteliste setzen zu lassen.
»Fridendamm?«, sagte die Dame auf der Verwaltung und lächelte.
Sie schrieb etwas in ihren Computer.
»Könnte es nicht auch eine andere Gegend sein? Ich meine… für Fridendamm müssen Sie etliche Jahre Wartezeit in Kauf nehmen.«
Er schüttelte den Kopf. Fridendamm oder gar nicht! Mit einem ausdrucksvollen Seufzer klickte die Dame ein Kästchen an.
Dann nickte sie ihm zu und sagte: »Das wäre erledigt. Sie stehen auf der Warteliste. Wir lassen von uns hören.«
Ihr Blick verriet ihm, dass es für ihn dann ohnehin zu spät sein würde.
Obwohl ihn ihr Verhalten kränkte, war er zufrieden, diesen Schritt gewagt zu haben. Jetzt stand er zumindest auf der Warteliste.
»Am besten meldest du dich jetzt schon an, wenn du mitfahren willst. Dann kommst du vielleicht in zwei Jahren mit.«
Sein neuer Freund aus dem Genealogiekurs redete über den anderen Kurs, an dem er teilnahm. Donnerstagabends übte er sich mit seiner Frau im Weinverkosten. Sie besuchten den Kurs jetzt schon das zweite Jahr und planten an einer Busreise an die Loire teilzunehmen. Es gab immer doppelt so viele Anmeldungen wie Plätze im Bus.
Sven kannte sich mit Weinen nicht aus. Vielleicht war so ein Kurs auch etwas für ihn? Die Reise kam ihm ebenfalls interessant und unterhaltsam vor. Plötzlich sehnte er sich danach, Neues zu entdecken und auf Reisen zu gehen. Aber allein zu verreisen, machte keinen Spaß. Eine Busreise mit Leuten, die er schon kannte, war verlockender. Und wahrscheinlich befanden sich einige Reiseteilnehmer in derselben Situation wie er.
Am Tag darauf meldete er sich telefonisch für den Weinkurs und die Busreise an. Die Dame im Sekretariat des ABF, des Arbeiterbildungsbundes, meinte freundlich: »Mit dem Kurs gibt es kein Problem. Da haben wir noch Plätze. Bei der Busreise müssen Sie sich darauf einstellen, ein oder zwei Jahre zu warten, bevor Sie mitfahren können.«
Zwei Jahre! Das war eine lange Zeit, aber er beschloss, sich trotzdem auf die Liste setzen zu lassen. Lieber später als gar nicht, tröstete er sich.
In der ersten Juniwoche rief jemand von der Wohnungsbaugesellschaft an und teilte ihm mit, gerade sei eine kleine Dreizimmerwohnung in Fridendamm frei geworden. Genau das, was er sich gewünscht hatte!
Erst brachte Sven kein Wort heraus. Dann überlegte er sich, ob ihn jemand zum Narren halte. Es war erst drei Monate her, dass er den Antrag gestellt hatte. Fast hätte er gesagt: »Aber die Wartezeit sollte doch mindestens acht Jahre betragen.« Aber dann besann er sich. Stattdessen vereinbarte er wie in Trance einen Besichtigungstermin für den nächsten Tag.
Die Wohnung, eine Eckwohnung mit einem Balkon nach Süden, lag ganz oben in der dritten Etage.
»Vermutlich die beste Wohnung hier im Haus. Erst letztes Jahr renoviert. Küche und Badezimmer sind neu. Die Zimmer sind alle frisch tapeziert. Der Fußboden ist neu verlegt«, sagte der freundliche junge Mann von der Wohnungsbaugesellschaft.
Sven war sprachlos. Die Wohnung war perfekt. Er brauchte nur noch einzuziehen.
Als hätte er Svens Gedanken gelesen, meinte der junge Mann: »Am ersten August können Sie einziehen.«
Sven würde sein Haus zum ersten September verkaufen können. Und er hatte noch einen letzten Sommer darin, um in Ruhe zu packen und auszusortieren.
»Ich nehme die Wohnung«, sagte er.
In der Woche vor Mittsommer ging der Verkauf von Svens Eigenheim über die Bühne. Er hatte den gewünschten Preis erzielt und besaß plötzlich Ersparnisse auf der Bank. Die Käufer, ein junges Paar, hatten nichts dagegen, mit dem Umzug bis September zu warten.
Manchmal fragte er sich nervös, ob sie von der Wohnungsbaugesellschaft bei ihm anrufen würden, um ihm zu sagen, alles sei ein Irrtum gewesen. Aber niemand meldete sich bei ihm. Er konnte in Ruhe weiter packen und alles aussortieren, was er nicht mitnehmen wollte. Er konzentrierte sich ganz und gar
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