Die Frau im Fahrstuhl
hatte im Wasser gestanden. Glücklicherweise war das Holz nicht verrottet. Während die Totengräber den Sarg zum neuen Grab brachten, sah der Pfarrer, wie sich das alte Grab mit Wasser füllte. Verlief dort eine Wasserader? Da diese direkt aus den Bergen kam, konnte es sich um gutes Wasser handeln. Als die Totengräber zurückkamen, bat sie der Pfarrer, oberhalb der Gräber eine Grube auszuheben. Der Pfarrer ging nach Hause, um ein paar saubere Einmachgläser zu holen. Als er auf den Friedhof zurückkam, waren die Totengräber mit dem Graben der Grube fertig. Rasch lief sie mit Wasser voll. Der Pfarrer füllte die Gläser, und die Männer probierten. ›Das Wasser! Das Wasser!‹, riefen sie wie aus einem Mund. Und tatsächlich! Das war Sandvågurs berühmtes Wasser. Die Dorfbewohner bauten eine Leitung, die, mit einem großen Umweg um den Friedhof, den Abhang hinabführte, und allmählich wurde das Dorf wieder zum wichtigsten Marktort der Provinz. Es gab viele Theorien, warum das Wasser verschwunden war. Am wahrscheinlichsten war, dass der Wegebau den Verlauf der Quelladern beeinflusst hatte.«
»Ein Hof und einen Gammeldansk, bitte schön!«
Ich machte einen Satz, als ich die Männerstimme an meinem Ohr hörte. Der gut aussehende Kellner sah mich überrascht an.
»Oh… entschuldigen Sie… natürlich. Ein Hof und… Sie wollen vielleicht auch ein Bier?«
Ich wandte mich wieder der Bank und dem Alten zu.
Die Bank war leer.
Der Alte war ebenso unbemerkt verschwunden, wie er gekommen war.
Auf meiner Schulter spürte ich eine warme Hand.
»Alles in Ordnung?«
Besorgt sah mich der Kellner an.
»Der alte Mann… Er hat mir eine Geschichte erzählt. Und dann war er auf einmal weg«, sagte ich etwas verwirrt.
Der Kellner schaute mich forschend an, und dann machte sich die Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht breit.
»Sie hatten Glück. Dem bin ich auch schon begegnet.«
»Ach?«, war das Einzige, was ich über die Lippen brachte.
»Wir sollten uns ausführlicher über unseren gemeinsamen Freund unterhalten. Um sechs habe ich Feierabend. Wollen Sie mit mir zu Abend essen?«
Mit einem wildfremden Mann zu Abend essen? Das lief allem zuwider, was ich sonst… Brich mit allen alten Gewohnheiten, flüsterte plötzlich eine innere Stimme.
»Ja, danke«, hörte ich mich sagen und war ganz erstaunt.
Wir vereinbarten, dass er mich um sieben in meinem Hotel abholen würde. Dann würden wir uns für ein Restaurant entscheiden. Lächelnd und winkend verschwand der Kellner wieder im Gewühl. Die Vorfälle der letzten Viertelstunde hatten mich so mitgenommen, dass die Hand, mit der ich das Gläschen Gammeldansk anhob, zitterte. Glücklicherweise wirkte dieser Tropfen stabilisierend auf meine ramponierten Nerven. In diesem Augenblick hatte ich es wirklich nötig.
Mir ging es wie einem Teenager vor dem ersten Date. Auf dem Weg zum Hotel kaufte ich in einer Parfümerie Wimperntusche und einen hellroten Lippenstift, dieselbe Farbe wie mein neuer Rollkragenpullover aus Angorawolle. Während meiner Ehe hatte ich nie ein Kleidungsstück aus Angorawolle kaufen können. Mein Ex hatte eine Tierhaarallergie.
Als ich um Punkt sieben die Hotelbar betrat, war ich aufgeregt und voller Vorfreude. Gespielt gleichgültig ließ ich meinen Blick über die Gäste der kleinen Bar schweifen und stellte enttäuscht fest, dass Ole noch nicht gekommen war. Ich wusste auch nicht, ob sie meinem Ex und seiner Blondine Essig in ihre Drinks gegossen hatten, aber so sahen sie aus, als sie mich entdeckten. Ich tat, als bemerkte ich sie nicht, ging zur Bar und setzte mich auf einen der lederbezogenen Hocker. Hinter dem Barkeeper sah ich mein Spiegelbild. Ausnahmsweise stellte es mich sehr zufrieden. Der Pullover mit dem weiten Rollkragen stand mir. Der schwarze Rock, der bis zu den Knöcheln reichte, und die Stiefeletten mit den hohen Absätzen waren dezent elegant. Frisur und Make-up waren ebenfalls geglückt. Der nächste diskrete Blick in den Spiegel ruinierte jedoch meine zufriedene Stimmung. Direkt hinter mir stand mein Exmann.
»Was denkst du dir eigentlich?«, fauchte er wütend.
Erstaunt drehte ich mich auf dem Barhocker um. Was meinte er damit?
»Du hast uns die ganze Zeit verfolgt! Wie hast du rausgekriegt, dass wir an diesem Wochenende nach Kopenhagen fahren? Hat Peter getratscht?«
Getratscht? Meinte er etwa, ich hätte unseren Sohn ausgehorcht, um herauszufinden, welche Pläne er und seine Neue hätten? Das war eine so
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