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Die Frau im Fahrstuhl

Die Frau im Fahrstuhl

Titel: Die Frau im Fahrstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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unglaublich freche Unterstellung, dass mir die Worte fehlten. Mit halb offenem Mund starrte ich ihn an. Mir fiel nichts Vernünftiges ein.
    »Hallo! Hast du einen Bekannten getroffen?«
    Aufgebracht, wie ich war, hatte ich gar nicht bemerkt, dass Ole gekommen war. Seine ruhige Stimme löste mich aus meiner Erstarrung.
    »Stimmt. Aber es ist wirklich lange her seit dem letzten Mal. Schade, dass du schon gehen musst. Grüß deine Frau!«, sagte ich lächelnd.
    Ich streckte die Hand aus und nahm die schlappen Finger meines Exmannes. Sein Gesicht erinnerte an einen ausgelatschten Schuh, und sein Blick irrte zwischen Ole und mir hin und her. Schließlich riss er sich zusammen und sagte lahm: »Ja… dann also… tschüs. Hat mich gefreut…«
    Der Mann, mit dem ich vierundzwanzig Jahre verheiratet gewesen war, trollte sich zu seinem Ecktisch und seiner wartenden Zitrusblondine.
    Ich war erstaunt, dass Ole meine Hand nahm und an die Lippen führte. So unerwartet altmodisch und vollkommen unerwartet aufreizend. Sein Mund auf meinem Handrücken ließ mich am ganzen Körper wohlig erschauern, und zwar nicht etwa deswegen, weil sich mein Angorapullover elektrisch aufgeladen hätte. Sein Haar duftete frisch gewaschen, und sein After Shave brachte mein Blut in Wallung.
    Im Spiegel sah ich, dass das Paar in der Ecke aufstand und ging. Schön! Obwohl ich eigentlich gegen nichts allergisch bin, begann ich eine leichte Überempfindlichkeit gegen glänzenden Bisam zu verspüren oder was für ein armes Tier es auch gewesen sein mochte, das sein Leben für ihren Mantel hatte lassen müssen.
    Ole fragte weder, was für ein Mann das gewesen war, der so wütend auf mich gewesen war, noch, warum. Stattdessen erkundigte er sich, was ich trinken wollte.
    »Einen Weißwein, bitte.«
    Er lächelte sein schönes Lächeln und fragte fast schüchtern: »Wie wär’s mit Champagner?«
     
    Das Essen schmeckte wunderbar, aber ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht daran, was wir aßen. Wahrscheinlich Fisch, denn wir tranken Weißwein. Die Unterhaltung floss unbeschwert und ungezwungen dahin. Ohne es eigentlich gewollt zu haben, erzählte ich von den Missverständnissen zwischen meinem Ex, seiner neuen Frau und mir. Ole lachte so sehr, dass ihm die Tränen in die Augen traten. Er fand das alles wahnsinnig komisch. Ich eigentlich nicht. Mit Abstand und in seiner Gesellschaft verstand ich jedoch auch, dass meine Geschichte ihre Pointen hatte.
    Nach dem Dessert meinte Ole: »Jetzt müssen wir über unseren gemeinsamen Freund und seine Geschichte von den Färöern sprechen. Denn die hat er dir doch erzählt?«
    Ich nickte. Wir Schriftsteller schmücken natürlich gerne aus, wenn wir erzählen, aber ich bemühte mich wirklich, die Geschichte des alten Mannes so korrekt wie möglich wiederzugeben.
    Als ich fertig war, ließ Ole lange zerstreut sein Weinglas kreisen.
    »Das ist genau dieselbe Geschichte, die er mir auch erzählt hat. Ich arbeite schon seit vielen Jahren immer mal wieder in Hviids Weinstube. Angefangen habe ich bereits in jungen Jahren als Kunststudent. Damals hatte ich überhaupt kein Geld. Mein Onkel bediente ebenfalls dort. Er hat mir den Job besorgt. Jetzt springe ich immer nur dann ein, wenn sie zu wenige Leute haben. Beispielsweise vor Weihnachten. Im Übrigen kann ich mittlerweile recht gut von meinen Gemälden leben«, sagte er.
    Er trank den letzten Schluck Wein und lächelte mich an, während er das Glas abstellte. Das Lächeln erlosch, als er weitersprach.
    »Vor drei Jahren ist meine Frau gestorben. An Krebs. Sie war lange schwer krank. Die ganze Zeit riss es uns zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin und her. Als sie starb, war ich vollkommen fertig. Ich konnte nicht mehr malen. Nach einer Weile war ich gezwungen, wieder zu arbeiten, um zu Geld zu kommen. Unsere Tochter war bereits ausgezogen, aber unser Sohn wohnte noch zu Hause. Er besuchte die letzte Klasse des Gymnasiums. Vermutlich war es ein Glück, dass ich an ihn denken musste. Sonst weiß ich nicht, was…«
    Er unterbrach sich und schluckte. Betreten entdeckte ich Tränen in seinen Augen. Du meine Güte! Da hatte ich nun doch tatsächlich einen trauernden Witwer aufgegabelt, der mich mit seiner gesamten Trauer und seinem Schmerz zuschüttete. Es ging gar nicht darum, dass er mich attraktiv fand. Er brauchte jemanden zum Zuhören.
    »Das war Ende November, und deswegen war es recht nahe liegend, dass ich meinen alten Arbeitsplatz Hviids aufsuchte. Dort waren sie

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