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Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beryl Bainbridge
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Rose verstanden sich auf Anhieb. Er bat sie, sich zu bedienen; zweimal ging er nach oben, wobei er über die summende Frau hinwegstieg, erst um eine Flasche Wein zu holen, dann einen Öffner. Offenbar war er unkonzentriert, denn neben dem Brot lag bereits ein Korkenzieher.

    Rose säbelte an dem Fleisch herum und riss Brocken von dem Brotlaib ab, als sei sie am Verhungern. Vor einer Stunde hatten sie angehalten, um zu essen, aber sie hatte beharrlich behauptet, die Scheibe Fried Bread von vorher habe ihr genügt. Als sie sich endlich vollgestopft hatte, ließ sie sich von Webster eine Zigarette geben, und beide saßen da und bliesen den Rauch gegen die fleckige Zimmerdecke. Die Katze hatte Gefallen an ihr gefunden und sich auf ihren Schultern zusammengerollt, eine Pfote an ihrer Kehle. Wieder einmal, wie in früheren Zeiten, hatte Harold das Gefühl, unsichtbar zu sein.
    Webster fragte Rose, ob sie die Fahrt durch den Bundesstaat spannend und anregend gefunden habe. Sie log nicht. Sie interessiere sich nicht für Landschaften oder Städte, sie habe nicht darauf geachtet, wo sie gewesen, sondern nur auf das, was in ihrem Kopf vor sich gegangen sei. Sie habe versucht, sich an ein Gedicht zu erinnern, das sie einmal auswendig gelernt habe, über einen Farbigen, der von seinem Leben vor der Sklaverei träume. Webster schnitt eine Grimasse, aber sie merkte es nicht. Immerhin erinnerte sie sich an einen Ort, in dem die Häuser mit Lichterketten umsäumt gewesen waren wie an Weihnachten, und das war doch unsinnig, denn es war Sommer. Webster schlug mit der Faust auf den Tisch und rief, recht hat sie … recht hat sie! Der Schlag war so heftig, dass die Katze von Roses Schultern heruntersprang und entsetzt floh. Die
Frau auf der Treppe lachte unvermittelt auf, schrill wie zerspringendes Glas.
    Einen Augenblick lang sprach niemand, dann stand Webster vom Tisch auf, zog die Frau auf die Füße und scheuchte sie die Treppe hoch.
    »Feuer am Dach«, flüsterte Rose dumpf.
    Harold studierte das Foto unter den verblassten Blumen. Es zeigte Bud Holland, Webster, Bob Maitland und Jesse Shaefer, wie sie jungenhaft grinsend auf einem Baseballfeld knieten. Er selbst stand wie immer mit ausdruckslosem Gesicht im Hintergrund.
    »Bist du da drauf?«, fragte Rose.
    »Merkt man aber nicht«, sagte er und ging hinaus auf die Veranda. Hinter einem Holzzaun kniete, in diamantenes Sonnenlicht getaucht, ein kleiner Junge neben einem Spielzeuglaster. Ein kleines Mädchen mit einem Eimer hüpfte auf ihn zu, stolperte, und Wasser schwappte über die Knie des Jungen. Er sprang auf und stieß sie zu Boden; aus ihrem zerknitterten Gesicht ertönte verzweifeltes Geheul.
    Harold hörte Stimmen hinter sich und ging ins Haus zurück. Plötzlich begriff er, dass es keinen Sinn hatte, die Vergangenheit aufzuwühlen, und bestimmt nicht vor Rose. Nichts brachte Dollie zurück.
    Rose saß am Tisch und starrte mit offenem Mund zu Webster hoch. Er hatte ihr den Arm um die Schulter gelegt, drückte sie fest an sich und machte ein ernstes Gesicht. »Alles in Ordnung?«, fragte Harold.

    »Nichts, womit ich nicht fertigwürde«, sagte Webster.
    Es folgte oberflächliches Geplauder, hauptsächlich über ihre Route Richtung Saratoga Springs, dann erwähnte Rose, dass der Lieferwagen ein komisches Geräusch von sich gebe. Webster erbot sich, einen Blick auf den Motor zu werfen. Harold widersprach, das sei nicht nötig, er werde eine Tankstelle aufsuchen, aber Webster öffnete bereits die Tür.
    Der Hund war noch immer auf dem Rasen und scharrte mit den Pfoten im Gras. Mit dem Kopf unter der Motorhaube sagte Webster: »Shaefer macht sich Sorgen um dich, weißt du.«
    »Er ist ein guter Freund«, erwiderte Harold.
    »Wir finden es beide idiotisch, nach Wanakena zu fahren. Dadurch wird nichts gelöst.«
    »Na und?«, sagte er, kickte mit dem Fuß ein Steinchen weg und wünschte sich, es wäre Webster.
    »Hast du vergessen, was passiert ist, als Bud sich mit seinem Pa angelegt hat?«
    Natürlich erinnerte er sich. Bud hatte von seiner Mutter eine große Geldsumme geerbt. Sein Vater hatte mit der Begründung, sein Sohn sei zu jung für solchen Reichtum und würde sich wahrscheinlich zu Tode saufen, das Testament angefochten. Bud gewann. Der Vater, hoffnungslos verschuldet, stürzte sich im SunLife Insurance Building aus dem 29. Stock. Von da an soff Bud wie ein Loch.
    Harold sagte: »Ich muss Wheeler sehen.«

    »Da kommt nichts Gutes bei raus.«
    »Es gibt viel, wo

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