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Die Frau im gepunkteten Kleid

Die Frau im gepunkteten Kleid

Titel: Die Frau im gepunkteten Kleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beryl Bainbridge
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verkohlten Handtasche.
    Als Fury endlich erschien, tat er, als freue er sich über ihr Kommen. Er schüttelte Harold die Hand und gab Rose einen Kuss auf die Wange. Seine Lippen waren kalt. Harold und er gingen gleich hinaus in den Hof und ließen Rose mit der Schwiegermutter allein. Philopsona harkte vor dem Haus geschäftig Pferdeäpfel vom Weg.
    An der Wohnzimmerwand hing ein großes Foto von einem brennenden Gebäude und ein zweites von
einer Stadt in Schutt und Asche. Als Rose sich wieder von den Bildern abwandte, sagte Mrs Furys Mutter: »Ich war dabei.« Ihre Stimme klang selbstsicher, und ihre Augen funkelten; sie bemühte sich immer noch, der Gegenwart einen Sinn abzugewinnen. Rose wunderte das nicht, sie beschäftigte sich selbst die meiste Zeit des Lebens mit den Wunden, die ihr die Vergangenheit geschlagen hatte.
    »Meine Mutter ist tot«, sagte die Frau – was in Anbetracht ihres Alters zu erwarten gewesen war. »Sie wurde in einem rosa Nachthemd beerdigt, und mein Pa legte ihr rosa Rosen aufs Grab, nachdem er sie totgevögelt hatte.«
    »Das muss hübsch ausgesehen haben«, sagte Rose.
    Die Frau winkte sie näher. »Rosa ist die Farbe der Fleischeslust … und mein Pa hat mir erzählt, der Name Rose geht zurück auf diese Frau aus Babylon.«
    Rose versuchte interessiert zu wirken. »Babylon …«, murmelte sie.
    »Sie war die erste Prostituierte.«
    Auf dem Kopfsteinpflaster unterm Fenster hörte man einen Stepptanz von Hufen, gefolgt von einem schrillen Pfiff. Rose beugte sich hinaus und sah, wie der junge Mann im Pullover ihr zuwinkte, sie solle herunterkommen. »Ich bin gleich wieder da«, beschwichtigte sie die alte Frau.
    Fury wollte Rose seine Pferde zeigen. Er züchte seit zwanzig Jahren, sagte er; schon als Kind habe er sich dafür interessiert, und dieses Interesse sei von
einem entfernten Verwandten gefördert worden. Er möge den Geruch, diese berauschende Mischung aus Sex und Tempo. Es war noch ein zweiter Mann bei ihm, ein Mr Silver mit Schmerbauch und Fliege. Er war sehr nett zu Rose; immer wenn er mit ihr sprach, legte er ihr den Arm um die Schulter.
    Rose streckte die Hand aus, um das einsam dastehende Tier zu streicheln. Es scheute sofort mit bebenden Nüstern zurück. Es bekomme jetzt gleich eine Spritze, erklärte Fury, gegen irgendeine Rossseuche.
    »Es wittert bestimmt einen ungezähmten Geist«, witzelte Mr Silver und zog Rose an sich.
    Bevor sie ins Haus zurückkehrten, nahm Fury Harold beiseite und schwatzte ihm minutenlang die Ohren voll.
    »Er entschuldigt sich für seine Frau«, sagte Silver zu Rose. »Sie ist ein bisschen ungehobelt.«
    »Ungehobelt?«, wiederholte Rose.
    »Er war erst achtzehn, als er sie kennenlernte. Es war eine Liebesheirat, aber sie ist nicht gerade die typische Anwaltsfrau. Deshalb ist es praktischer, wenn sie hier in Santa Ana wohnt.«
    »Was stimmt denn nicht mit ihr?«, fragte Rose fasziniert.
    »Es ist hauptsächlich ihre Sprache«, verriet Silver. »Und ihre Großzügigkeit. Ständig verschenkt sie Geld.«
    Philopsona kochte ihnen ein Mittagessen aus lauter selbst angebauten Zutaten, sogar das Hühnchen
stammte aus eigener Zucht. Das Geflügel, trompetete sie, sei ihr ganzer Stolz und ihre Freude, jedes Tier habe einen Namen und sei von Geburt an gehätschelt worden. Niemand anderer dürfe ihnen den Hals umdrehen. »Das wäre nicht recht«, versicherte sie Rose. »Sie brauchen verdammt noch mal jemand, dem sie vertrauen können!« Das Huhn, das sie heute verzehren würden, habe Nessie geheißen.
    Während sie aufs Essen warteten, betrachtete Rose noch einmal die Fotos an der Wand und bewunderte eine grüne Verzierung am Kaminsims darunter.
    »Das ist ein Frosch«, erklärte Philopsona. »Mein Pa mochte Frösche.«
    »Das ist eine Kröte«, korrigierte Rose. »Frösche haben keine Zehen.«
    »Na und?«, sagte Philopsona. »Ist doch scheißegal.«
    Als das Essen aufgetischt war, nahm sich die Mutter, die am Kopfende des Tisches saß, ein Stück ums andere und zermanschte es mit der Gabel.
    »Ich mag’s gern fettig«, erklärte sie Rose, »wenn’s richtig trieft«, worauf ihre Tochter rief: »Halt um Himmels willen deinen gottverdammten Mund, Ma!« Als Philopsona Roses erschrockenes Gesicht sah, tätschelte sie ihr das Knie und teilte ihr vertraulich mit, Ma sei eine solche Behandlung gewöhnt. »Da weiß sie wenigstens, dass man sie wahrnimmt.«
    Es stellte sich heraus, dass Mr Silver in beratender Funktion mit dem Senat zu tun hatte. Er wusste

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