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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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– das ist ein richtiger Treffpunkt, das kann ich dir sagen. Siehst du den Kerl da drüben – in der Ecke? Einer der Topchefs von Statoil. Und der in dem dunklen Anzug, der aussieht, als säße sein Schniedelwutz im Reißverschluß fest? Einer der Betriebsmanager, die an der Entwicklung der Stadt in den letzten Jahren am meisten verdient haben. Einer von den ganz großen Grundstücksspekulanten, unter anderem. Und der, der da drüben so laut lacht …«
    »Jonsson?«
    »Soso – du kennst ihn? Harter Bursche. Hat amerikanischen Football in seiner Jugend gespielt, als Profi. Die beiden Mädchen an dem Tisch sind Prostituierte. Aus Oslo. Alle Professionellen des Landes sind rübergekommen, als der Ölbetrieb ernsthaft losging. In Oslo sind nur noch Amateure.«
    »Das hört sich an, als hättest du Ahnung auf diesem Gebiet.«
    Er sah mich mit unschuldigen, blauen Augen an. »Nur in der Theorie, mein Freund. Das ist wahr. Ich bin seit zehn Jahren Witwer, und meine Frau ist im richtigen Augenblick gestorben: als mein Schwung so langsam nachließ. Seitdem habe ich mich auf andere Freuden im Leben konzentriert als die fleischlichen, und davon gibt es genug.«
    »Welche zum Beispiel?«
    Er zeigte auf sein dunkelbraun gefülltes Glas. »Das da.« Er klopfte sich auf die Brusttasche. »Gute Zigarren. Reisen. Glücksspiele. Und ein Sitzplatz im Stadion. Man muß nur verstehen, es sich gutgehen zu lassen, dann …« Er hob sein Glas. »Aber – skål!«
    Wir tranken und er fuhr fort: »Sag mal, trinkst du keine stärkeren Sachen als Wein?«
    »Ich versuche, mich zurückzuhalten, während ich arbeite.«
    »Jaa – versuch’s bei mir!«
    »Versuch …«
    »Das Bild. Wie ich dir gesagt habe, ich vergesse nie ein Gesicht. Das ist verdammt anstrengend, kann ich dir sagen. Du läufst herum mit ein paar hunderttausend Gesichtern im Kopf. Ich kann einfach nicht durch die Stadt gehen, ohne daß – eins nach dem anderen – die Archivbilder hervorspringen. Einige sind so alt und verändert, daß es dauert, bis ich sie einordnen kann … Das ist genauso, als würde eine Klappe runterfallen, sag ich dir.«
    »Na gut.« Ich gab ihm das Bild.
    Er warf einen raschen Blick darauf. »Jaha. Genau.« Zwischen den breiten Augenbrauen war eine Furche entstanden.
    Ich war gespannt. »Du meinst doch nicht etwa … Soll das heißen, daß …«
    Er nickte langsam. »Ich hab ihn gesehen, und das ist erst ein paar Tage her. Es muß kurz vor dem Wochenende gewesen sein. Oder … Mittwoch!« Das ganze Gesicht leuchtete auf. Er nickte eifrig. »Ich hab’s.«
    Ich beugte mich zu ihm vor. »Ja? Wo?«
    Er lächelte verschmitzt, während er sein Glas hochhielt, um zu sehen, wieviel noch drin war. »Ich kann dich mit dahin nehmen … Vielleicht. Wenn du willst.«
    »Ja. Wohin? Ist es weit?«
    »Nein. Es ist nicht sehr weit. Nur über den Markt und dann ein kleines Stück weiter. Ich kann dir auf dem Weg mehr erzählen. Gehen wir?«
    Ich nickte. »Aber – was ist es denn?«
    Er leerte sein Glas. »Es ist – ein Lokal.«
    »Und du bist sicher, daß er es war?«
    »Wie ich gesagt habe, mein Junge …«
    »Du vergißt nie …«
    »Ein Gesicht. Korrekt.«
    Als wir hinausgingen, fiel mir auf, daß Elsa an einem Tisch Platz genommen hatte, an dem schon drei junge Männer und eine Frau saßen. Carl B. Jonsson nickte mir gemütlich zu, als ich vorbeiging. Ich hinterließ an der Rezeption den Bescheid, daß ich wegginge und nicht wüßte, wann ich wiederkäme.
    Draußen war es trocken und kalt. Wir schlugen die Mantelkrägen im Nacken hoch, und Sieverts zog einen schwarzen Hut tief in die Stirn.
    Bevor wir losgingen, sagte ich: »Du hast vergessen, mir zu erzählen, was du machst.«
    »Ich?« Er blinzelte liebenswürdig unter der Hutkrempe hervor. »Ich bin Finanzbeamter.«

11
    Obwohl es ein rauher und kalter Novemberabend war, waren eine Menge Leute unterwegs. Das abendliche Publikum auf Stavangers Straßen war jung, laut und mehr oder weniger betrunken.
    »Hier steigen wir hinab ins Inferno«, sagte Sieverts lächelnd, als wir zu der Fußgängerunterführung unter Konggårdsbakken hinuntergingen. Dort unten stand eine Horde junger Leute, die Jungen in Lederjacken und Lederhosen, die Mädchen in engen Jeans und Daunenjacken. Sie starrten uns herausfordernd entgegen, als wir vorbeigingen, und wir überhörten die Zurufe, die uns durch den Betontunnel verfolgten. Unsere Schritte klangen hohl wider.
    Als wir auf der anderen Seite nach oben kamen, stand dort ein

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