Die Frau im Kühlschrank
sieht’s da oben aus? Hat das Ölzeitalter auch bei euch seinen Einzug gehalten?«
»Noch nicht. Aber die großen Gesellschaften haben angefangen, sich in den Immobilienmarkt einzukaufen, es wird also nicht mehr lange dauern.«
»Es wird die Hölle, das kann ich dir versprechen – aber es bringt Geld, selbstverständlich, also ist es eigentlich nur eine Frage des Geschmacks. Paradiesische Zustände ohne Geld – oder die Hölle mit.«
Ich glaubte ihm. Von Besoffenen und Taxifahrern erfährt man die Wahrheit. Wir näherten uns dem Zentrum und steckten bald im Stau. Ich lehnte mich nach vorn und sagte: »Sag mal – hast du Verbindungen zu ein paar von Stavangers leichten Mädchen?«
Er drehte sich um, diesmal mit einem Grinsen auf den Lippen. »Willst einen draufmachen, was?«
»Nein, aber – sagt dir der Name Laura Lüstgen was?«
Wir hielten vor einer roten Ampel, und er murmelte: »Laura Lüstgen, ja. Die is eins von den guten, alten, treuen Mädchen. Sie war schon dabei, als Vikin noch in der zweiten Division war – im Gegensatz zu all den Luxuspüppchen, die’s hier in den letzten Jahren gibt. Laura Lüstgen – die hat lekker Brüstken – haben die Jungs ihr früher immer nachgerufen und sind ihr hinterhergerannt. Soll ich dich vielleicht zu ihr nach Hause fahren?«
»Weißt du denn, wo sie wohnt?«
»Gehört zum Taxiservice, so was, Kamerad.« Wir bogen von der Haupteinfallstraße ab nach Westen. Dann fuhr er ein paar steile Hügel an der Westseite von Vaagen hinunter, gegenüber einem Speicher in eine Seitenstraße hinein und dann an die Bordsteinkante. Er zeigte nach vorn. »Siehst du das Lagerhaus da? Da herum, rein in den Hof, und dann die erste Tür rechts. Sie ist die einzige, die da wohnt, du kannst dich nicht vertun. Wenn du zur Tür reinkommst, geht eine lange, schmale Treppe rauf in den ersten Stock. Da wohnt sie, in der alten Hausmeisterwohnung. Einsam und alleine in ihrem Schloß. Aber ich garantiere nich dafür, daß sie zu Hause ist. Um diese Tageszeit fängt bei ihr der Arbeitstag an.«
»Na dann. Danke für die Hilfe.« Ich gab ihm ein bißchen mehr Trinkgeld.
Er bedankte sich und sagte: »Und grüß auch. Sag, Åge hat dich geschickt.«
»Kriegst du Provision?« fragte ich, nickte zurück und schlug die Tür hinter mir zu.
Ich folgte den Anweisungen. Das Lagerhaus war groß und grau, mit abblätternder Farbe an den Außenwänden und vernagelten Fenstern im Erdgeschoß. Drinnen im Hof huschte eine gestreifte Katze schnell um die Ecke, als sie mich entdeckte. Hinten an einem Bretterzaun lag das Wrack von etwas, das einmal ein Lastwagen gewesen war, ohne Reifen, und die Tür zum Fahrerhaus hing an einem Scharnier.
Ich öffnete die erste Tür, an die ich kam. Aus einem Briefkasten ragte die Tagesausgabe von Stavanger Aftenblad. Das machte einen seriösen Eindruck. Die Treppe nach oben war lang und schmal und dunkel – und erinnerte nicht sehr an den breiten Weg in die Verdammnis. Es gab kein Licht im Flur. Ich hielt mich dicht an der Wand, während ich mich nach oben bewegte. Die Treppe endete unvermittelt an einer Tür. Es war keine Klingel zu sehen, also klopfte ich an.
Niemand antwortete. Ich klopfte noch einmal, etwas heftiger. Keine Reaktion. Ich stand da und wartete, horchte auf Geräusche. Wenn sie eine von den Heimarbeiterinnen war, war sie möglicherweise gerade in Aktion. Wenn nicht, war sie nicht da. Ich klopfte noch einmal, mit demselben Ergebnis. Ich ging hinunter und wieder hinaus. Draußen blieb ich stehen. Das trübe Wetter ließ es schon langsam dunkel werden. Der Tag war schnell vergangen, und ich war nicht viel klüger geworden. Jedenfalls noch nicht.
Ich ging zurück zum Hotel. Der Nachmittagsverkehr war in vollem Gang, und es gab viele, die verbotene Abkürzungen durch die schmalen Straßen der Stadt fuhren. Im Hotel lag eine Nachricht für mich an der Rezeption. Solveig hatte angerufen. Sie würde es morgen noch einmal versuchen. Der Portier warf mir einen vielsagenden Blick zu, und ich bedankte mich für die Mitteilung.
Ich war früh aufgestanden, also ging ich auf mein Zimmer, dann unter die Dusche und legte mich ein wenig aufs Sofa. Nach fünf Minuten war ich eingeschlafen und wachte zwei Stunden später davon wieder auf, daß ich Hunger hatte. Draußen vor meinem Fenster war es dunkel geworden. Die Neonlichter hatten zu flimmern begonnen. Stavanger zog sich für den Abend um – und für die Nacht.
9
Der Speisesaal lag neben der Bar. Die meisten
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