Die Frau im Kühlschrank
Kühlschrankzubehör im Schrank lag. Der Kühlschrank war so gut wie voll.
Die Frau im Kühlschrank war nackt. Damit sie hineinpaßte, war sie zusammengeklappt worden wie ein Taschenmesser. Sie hielt die Arme hoch über den Schultern, wie um den Kopf zu schützen. Ein dunkler See geronnenen Blutes war auf dem Boden des Kühlschranks, und ein starker, süßlicher Verwesungsgeruch schlug mir entgegen.
Ich konnte ihren Anblick nicht ertragen. Eine furchtbare Übelkeit stieg in meinem Bauch auf, und mir wurde schwindelig. Ich sank nach vorn und schob die Kühlschranktür wieder zu. Ich blieb an den kalten Schrank gelehnt stehen, während meine Finger sinnlos über die glatte Oberfläche irrten. Ich hatte am ganzen Körper eine Gänsehaut, und ich fror.
Dann erreichte die Übelkeit meinen Mund, ich warf mich gegen den Kühlschrank und über den Ausguß und spuckte wie ein Geysir. Es sprudelte aus mir heraus, bis ich leer war, und noch lange danach kam der Brechreiz immer wieder, bis ich nach Luft schnappte. Der Hinterkopf schmerzte, und ich fühlte mich am ganzen Körper krank und lahm. Ich blieb über den Ausguß gebeugt stehen, drehte den Wasserhahn auf und ließ kaltes Wasser über meinen Kopf fließen – fließen und fließen und fließen. Ich rieb mein Gesicht mit den Handflächen, hart und lange. Dann richtete ich mich vorsichtig wieder auf.
Ich vermied es, den Kühlschrank anzusehen. Ich schritt an ihm vorbei und ging ins Wohnzimmer. Dort setzte ich mich schwer auf das Sofa und wartete auf die Polizei.
17
Der Regen vor den Wohnzimmerfenstern hatte nachgelassen.
Draußen auf der Straße hörte ich eine Horde Kinder schreiend vorbeilaufen. Die glatten Pflastersteine warfen die Stimmen bis weit über die Hausdächer zurück, wo sie wie verschreckte Vögel verschwanden. Der Regen tippte vorsichtig wie mit Nadeln gegen die Fensterscheiben. Die Wohnung hatte eine neue Bedeutung bekommen. Die leeren Räume waren zu einer Grabkammer geworden.
Frau Eliassen kam wieder die Treppe herauf. Sie war außer Atem. »Jetzt hab ich angerufen«, sagte sie. »Sie sollten …« Sie hielt inne. »Aber – Sie sehen ja fürchterlich aus! Soll ich einen …« Sie ging in Richtung Küche. »Ich werde Ihnen ein Glas Wasser holen, dann …«
»Nein!« rief ich. »Halt!«
Sie blieb vor der Küchentür stehen mit erstauntem Gesicht. »Was …?«
»Nicht – da reingehen.« Ich schluckte. »Es liegt ein – ein toter Mensch da drinnen.«
Sie sah ungläubig zur Küche. »Da drinnen – aber …«
»Im Kühlschrank«, sagte ich matt.
»Na, jetzt glaub ich tatsächlich, Sie sehn Gespenster – da is doch gar kein Platz für …«
Plötzlich brodelte die Wut in mir. »Ach nein? Dann gehn Sie doch rein und sehn Sie nach. Na los – und viel Vergnügen. Ich bleibe hier!«
Sie bewegte sich zögernd von der Küchentür weg, als fürchtete sie, die Leiche könnte herausspaziert kommen. »Es is vielleicht am besten …«
Ich war wieder ruhig. »Ja, das glaube ich auch. Lassen Sie uns einfach warten – bis die Polizei kommt.«
Sie blickte mich bissig an. »Ich geh nach unten und setz Kaffee auf. Den werden wir brauchen, alle miteinander. Egal, was is und was nich.«
Sie ging hinaus.
Ich blieb sitzen. Die Gedanken begannen langsam wieder zu kreisen.
Eine Frau? Im Kühlschrank?
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte schon einige Leichen gesehen in meinem Leben, und keine von ihnen war besonders schön anzusehen gewesen. Aber diese übertraf sie alle. Kurz darauf hörte ich schwere Schritte auf der Treppe. Zwei Polizisten mit Käppi und im Kampfanzug, mit Gummiknüppel und Gaspistole kamen herein. »Hat’s hier die Keilerei gegeben?« fragte der eine scharf.
Der andere sah auf mich herunter. »Ist Ihnen nicht gut?«
»Es sieht schlimmer aus als zu Anfang«, sagte ich.
»Oh?«
»Werfen Sie mal einen Blick in den Kühlschrank.«
»Wer sind Sie?« fragte der eine mißtrauisch. Er hatte helles, glattes Haar und einen spärlichblonden Schnauzbart.
»Mein Name ist Veum, und ich …«
Der andere war in die Küche gegangen, und es ertönte ein Aufschrei. Dann erschien er in der Türöffnung: ein magerer, sehniger Kerl, über einsachtzig groß, mit einem Gesichtsausdruck wie eine verbeulte Konservendose. »Eine Leiche«, sagte er.
»Zum Henker noch mal«, rief der andere und ging an ihm vorbei in die Küche. Der Kühlschrank wurde wieder geöffnet. Sein kaltes Licht erfüllte die Türöffnung. Ich erhob mich vom Sofa und tat vorsichtig
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