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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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rumwedelt, wenn er auf der Piste ist, und er is einer von meinen Stammkunden, schon viele Jahre.«
    »Lächel-Herrmannsen? Und wie heißt er richtig?«
    »Weiß der Teufel.«
    »Das auch? Hat der Bürozeiten – oder hat er sich vielleicht auch einen Informationschef angeschafft?«
    »Wer?«
    »Weiß der …« Ich hielt inne und fuhr dann fort: »Wer waren die anderen?«
    »Eine von diesen – Neuen. Nich eine von denen, die im Lokal arbeiten, bei Ole Johnny, mein ich. Sondern eine von denen, die sich in den feinen Hotels aufreißen lassen. Jung, hübsch – und kalt wie ein Fisch.« Sie beugte sich vor. »Die geben ihnen nich, was sie haben wollen. Das können sie nich. Für so was braucht’s reifere Frauen, Solche wie … Wir wissen, was ihr haben wollt – Zärtlichkeit, Mütterlichkeit, Wärme, alles, was ihr nich …«
    »Weißt du, wie sie heißt?«
    Sie sah aus, als dächte sie nach. »Irene, glaub ich. Mehr weiß ich nich. Ich hab mich nich um sie gekümmert. Lächel hat mich aufgegabelt, er hat mich gebeten mitzukommen, und als die anderen anfingen, rumzulärmen, sind wir einfach gegangen – und dann is er mit zu mir – und wir haben es uns hier gemütlich gemacht!« Sie schlug mit der flachen Hand auf das gelbweiße Laken.
    »Was meinst du mit rumlärmen?«
    »Weiß der – Teufel. Ich war selber ziemlich angesäuselt, aber ich hab gehört, wie sie angefangen haben zu streiten. Ich tippe, sie kriegten Streit wegen der Dame – da war ja nur sie, und sie waren …«
    »Ja, wie viele waren sie?«
    Sie sah mich mit leeren Augen an. »Lächel. Und ich. Sie. Und dann der, der da wohnte – und noch zwei. Dann waren wir also …«
    »Sechs.«
    »Ja, mein ich doch«, rief sie irritiert aus. Sehnsuchtsvoll sah sie zur Wodkaflasche, aber sie rührte sie nicht an.
    »Aber wer waren sie?«
    »Hab ich doch gesagt. Herrgott, was für’n Trara! Der da, auf dem Bild, und die zwei anderen.«
    »Ja, haben die sich nicht vorgestellt?«
    »Nein«, sagte sie in sarkastischem Ton. »Das haben sie nich. Sie hielten mich vielleicht nich für fein genug. Von mir aus kann’s der Kaiser von Amerika und sein Kronprinz gewesen sein.«
    Sie saß da und starrte vor sich hin. Dann fügte sie hinzu: »Ich glaub, da is irgendwas passiert. Jedenfalls gab’s einen höllischen Aufstand, und da hat Lächel gesagt: Los komm, Laura, wir haun ab. – Und dann sind wir abgehaun.«
    »Und alle gingen nach Hause und waren sich darüber einig, daß es ein gelungener Tag gewesen war?«
    Sie sah mich mit leerem Blick an. »Ja.«
    »Und diese anderen Typen hast du vorher nie gesehen?«
    »Gesehn und gesehn. Ich werd dir was sagen, ich mach mir nich so viel aus den neuen Ölleuten. Ich halt mich an die alten Kunden, sozusagen. Die Bauernlümmel aus Jæren und die Fischer aus Ryfylke. Und an all die feinen Herren aus Stavanger, jou. Laura Lüstgen hat’s hier schon gegeben, lange bevor das Öl hier in die Stadt kam – und ich mach meinen Job immer noch gut!«
    »Deinen – Job?«
    »Jah! Wo is denn das Geld geblieben, was du mir versprochen hast?«
    Ich holte die Scheine heraus, zwei Hunderter, und behielt sie in meinen Händen. Sie sah gierig aus. Ich dachte nach, ob ich noch mehr zu fragen hatte. »Und du hast ihn seitdem nicht gesehen?«
    »Wen gesehn?«
    Ich zeigte müde auf das kleine Foto. »Den da.«
    »Nein, wo sollte ich ihn gesehn haben? Außerdem kann ich nich behaupten, daß er sich mir vorgestellt hätte.«
    »Nein. Nein, richtig. Hier, ich danke dir für deine Hilfe.« Ich warf die Scheine vor ihr auf den Tisch, und sie verschwanden unter der Bettdecke.
    Laura Lüstgen fuhr sich mit zwei knochigen Händen durch das zerzauste Haar. Die Adern auf den Handrücken bildeten ein deutliches Muster, und die Haut war schrumplig. »Was für ’n Scheißleben!« sagte sie. »Um diese Tageszeit geweckt zu werden!«
    Ich stand auf. »Wie gesagt – tut mir leid. Schlaf weiter, Laura. Ich finde schon raus.«
    »Paß auf, daß du nich die Treppe runterfällst und dir den Hals brichst.«
    »Ich werd vorsichtig sein.«
    Ich öffnete die Tür. Hinter mir hörte ich, fast wie ein heiseres Flüstern: »Du verdammte Sacklaus!«
    Ich antwortete nicht, sondern ging aus der Tür – und nach unten.
    Es regnete noch immer ohne Unterlaß, und ich lief mit gebeugtem Nacken bis zum nächsten Hauseingang. Dort blieb ich stehen, in der Hoffnung, daß ein Taxi vorbeikommen würde. Es kam keins, aber ich konnte alle Hinweise überdenken, die sie mir gegeben hatte.

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