Die Frau im Kühlschrank
der Mutter.
Ich machte die Schublade wieder zu und sah mich um. Das Zimmer sah aus, als berge es nicht ein einziges Versteck. Sicherheitshalber fühlte ich hinter den Diwan und sah darunter. Es lag nicht einmal eine Staubschicht da.
Ich drehte den Fernseher herum und sah mir die Rückseite an. Ich hätte die Rückwand abschrauben und hineinsehen können, aber das hatte Zeit.
Ich ging weiter in die Küche. Ich stieg auf die Anrichte und nahm mir das oberste Regal des Küchenschranks vor. Nichts von Interesse. Ein paar alte Eierbecher und drei leere Keksdosen. Weiter unten fand ich Pulverkaffee, Tütensuppen und eine Tafel Milchschokolade. Arne Samuelsen hatte ein einfaches Leben geführt, was die Ernährung betraf, jedenfalls zu Hause in seiner Wohnung.
Ich begab mich weiter nach unten und sah mir die Anrichte an. Ich öffnete eine Schublade nach der anderen, ohne positives Resultat. Ich begann, den Mut zu verlieren. Der Rücken tat mir weh, und die Knie wurden steif.
Ich öffnete die Tür der Anrichte. Da lag etwas: ein Stapel von vier, fünf Rosten, alle gleich groß. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe ich begriff, was es war. Es waren die Einlagen des Kühlschranks hinter mir.
Ich saß in der Hocke am Boden. Dann begann ich, mich aufzurichten. Ich bemerkte gerade noch die Bewegung hinter mir, aber es war zu spät, um etwas dagegen zu unternehmen. Etwas Hartes und Rundes traf mich am Hinterkopf, direkt hinter dem einen Ohr, und mein Kopf füllte sich mit Licht: blendendem Licht.
16
Die Stimmen kamen von weit her. Ich habe die Polizei angerufen , ihr könnt ruhig – ich stöhnte. Verdammt , jetzt wacht – es gab ein Durcheinander, und durch einen Nebel von Schmerzen hörte ich ein Keuchen und einen aufgebrachten Frauenschrei. Dann knallte eine Tür und alles wurde wieder schön still und ruhig und dunkel.
Ich erwachte plötzlich. Das Gesicht von Frau Eliassen war viel zu groß. Ich sah die offenen Poren in der pergamentartigen Haut, die Umrisse eines Leberflecks unter dem einen Auge. Sie schlug mir ins Gesicht. »Nicht!« keuchte ich. »Ich …«
»Sie müssen aufwachen, na los. Stehn Sie auf, die Polizei kommt, Sie dürfen hier nicht auf dem Boden liegenbleiben. Was is denn passiert?«
Ich sah mich um. Die Decke über mir hing schief, die Wände flatterten wie Zeltwände bei starkem Wind. Das Gesicht über mir schrumpfte. Sie war aufgestanden. Es sah aus, als schwebe sie unter der Decke wie ein Ballon. Meine eine Hand krabbelte am Küchenschrank hinauf und griff um den Rand einer Schublade. Ich versuchte aufzustehen. Ich stützte mich mit dem anderen Arm ab und kam auf die Knie.
»Es waren zwei maskierte Männer. Ich würde wirklich gern wissen, was hier eigentlich vorgeht. Sie müssen reingekommen sein, als ich … Ich hab den Krach gehört, und als ich raufkam – sie ham mich geschubst, daß ich aufm Boden gelandet bin. Ich hätt mir – den Oberschenkelhals brechen können.«
Ich blieb auf den Knien hocken. »Ma-maskiert?«
»Wie im Fernsehn – mit Strümpfen über die Köpfe gezogen. Jetzt bin ich wirklich froh, daß er ausgezogen ist, Samuelsen, wenn das hier …«
»Seine Sachen sind immer noch hier.«
»Jaja.« Mit unerwarteter Großzügigkeit sagte sie: »Und die Miete können Sie vergessen. Ich will nichts mehr wissen von – diesem Geld.« Ich notierte im Geiste, daß sie die sechshundert, die sie schon bekommen hatte, nicht erwähnte.
Ich kam ein Stückchen höher und stand an den Kühlschrank gelehnt da. Mit einer Hand massierte ich meinen Hinterkopf. Er tat weh. Der Kopf war schwer. Die Knie waren weich. Aber ich blieb auf den Beinen. Ich sagte: »Hab ich richtig gehört – stimmt es, daß Sie die Polizei angerufen haben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das hab ich nur so gesagt – ich hatte Angst, sie würden mich umbringen.«
Ich nickte.
Sie fuhr fort: »Warum – was ist denn …?«
»Ich hab keine Ahnung. Ich wollte gerade …« Ich sah mich um, versuchte, mich zu erinnern. »Ich hatte gerade …« Ich erinnerte mich an die Roste im Schrank. Ich sah den großen Kühlschrank an, der plötzlich geheimnisvoll und überquellend wirkte.
Frau Eliassen ging an mir vorbei aus dem Raum. »Jetzt werd ich jedenfalls runtergehn und anrufen. Das is doch Einbruch – und Überfall – und …«
Ich stand da und sah ihr nach. Dann wandte ich den Blick wieder dem Kühlschrank zu. Es war ein großes, altmodisches Modell.
Ich öffnete die Tür.
Jetzt begriff ich, warum das
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