Die Frau im Kühlschrank
morgen wieder weggefahren, gegen halb zehn.«
»Die ganze Nacht mit anderen Worten. Und wieviel hast du dafür gezahlt?«
»Nichts.«
»Ach nein? Was hast du, das wir nicht haben?«
»Musik.«
»Musik?!«
Ich begann: »I got …«
Lauritzen kam wieder herein. Bertelsen sah ihn an. Lauritzen sagte: »Wir haben sie registriert. Elsa Bakketeig. Professionelle. Preisklasse A. Operiert hauptsächlich vom …«
»Ja, ja – das reicht.« Bertelsen sah wieder mich an. »Hast du gehört, Veum? Preisklasse A. Kein Wunder, daß wir fragen, was du hast, das wir nicht haben. Wir sollen deinen Behauptungen doch nicht etwa glauben?«
»Ich …«
»Musik hin oder her – was zum Teufel das nun bedeuten sollte – professionelle Mädchen lassen sich nicht wegen einem Schlappschwanz wie dir den Verdienst einer ganzen Nacht durch die Lappen gehen. Nicht ohne, daß …« Er brach ab. »Schick zwei Leute rüber, Lauritzen. Geh selbst mit. Es eilt vielleicht. Vielleicht hat Veum – eine ganz besondere Art, für sein Vergnügen zu zahlen. Vielleicht finden wir noch eine Leiche.«
»Hör mal zu …«, begann ich.
»Reg dich ab, Veum. Du verstehst doch einen Spaß, oder?«
Aber es war nicht einmal die Andeutung eines Lächelns auf seinem Gesicht, und sein Gedankengang gefiel mir nicht. Mir gefiel auch der Gedanke nicht, den er mir in den Kopf gepflanzt hatte.
Vielleicht gab es da draußen eine Leiche. Ich hätte doch anrufen sollen. Ich sah matt zum Telefon.
»Möchtest du gern jemand anrufen, Veum?« Bertelsen betrachtete mich mit Argusaugen.
»Nein.« Ich schüttelte kleinlaut den Kopf. Es wäre ja doch zu spät.
26
Ich hörte draußen vor dem Haus die Polizeisirenen einsetzen. Die lauten Töne jagten mir einen kalten Schauer über den Rücken. Sie klangen wie die Posaunen am Tag des Jüngsten Gerichts, die zur allerletzten Plenumssitzung bliesen.
Bertelsens Blick ließ mich nicht los. Als die Sirenen nicht mehr zu hören waren, sagte er leise: »Was wolltest du bei Laura Ludvigsen, Veum?«
Ich sah ihn an. »Das weiß ich nicht mehr.«
»Du gibst also zu, daß du da warst?«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte jetzt an andere Dinge zu denken.
»Ja?« Seine Stimme war in eine höhere Tonlage gerutscht.
»Also gut!« sagte ich. Er warf einen raschen Blick zu Iversen hinüber. Iversen blickte triumphierend zurück.
»Ich warte, Veum. Auf eine Antwort. Was wolltest du bei Laura Ludvigsen?«
»Ich … Sie fragen, ob ihr noch mehr eingefallen war, zu dem Abend.«
»Mit anderen Worten – du hast Nachforschungen angestellt! Du wolltest rausfinden, was die dummen Esel bei der Polizei nicht auf die Reihe kriegen, stimmt’s? Ich habe eindeutige Auskünfte über dich bekommen Veum – von meinen Kollegen in Bergen. Ich weiß genau, wie du vorgehst. – Na, und was hast du gehofft rauszufinden?«
Ich hatte mir vorgenommen, so ruhig und locker wie möglich zu antworten. In einem Ton, der fast blasiert klingen mochte, antwortete ich: »Ich habe keine Nachforschungen angestellt. Als ich dorthin kam, war die Dame schon – jenseits aller Fragen. Wer keine Fragen stellt, der stellt auch keine Nachforschungen an. – Also …«
»Also glauben wir hier wohl noch an den Weihnachtsmann?! Ich könnte dich einsperren, Veum. Ich sag’s noch mal, ich könnte …« Er biß sich auf die Zunge. Mit ein paar wütenden Bewegungen räumte er ein paar Papiere zur Seite. Als er wieder aufsah, war er ruhiger. »Aber wir sind nicht so dumm, wie du glaubst, Veum. Wir haben selbstverständlich mit Laura Ludvigsen gesprochen, schon gestern nachmittag. Wir haben alles über diese Feier erfahren …«
»Ach ja?«
»Was sie davon wußte.«
»Na, gut, aber warum sitzen wir dann hier?«
»Weil Laura Ludvigsen tot ist. Weil du an dem Ort herumgeschnüffelt hast, an dem sie – gefunden wurde.«
»Sie wurde also ermordet?«
»Sie wurde – gefunden. Mit gebrochenem Genick. Es könnte ein Unfall gewesen sein, im Suff. Oder – tja.« Er blätterte in dem Haufen vor sich, zog einen großen, braunen Umschlag hervor. Mit langen Fingern zog er zwei Bilder aus dem Umschlag. Er saß da und sah die beiden Bilder an. Dann reichte er mir das eine.
Ich sah es mir an. Es war das Portrait eines Mannes. Er hatte dünnes Haar, war glattrasiert und hatte breite, struppige, aber sehr helle Augenbrauen, eine Art blonder Breschnew. Die Augen wirkten dunkel und melancholisch. Seine Haut hatte traurige Furchen, und er wirkte nicht sonderlich
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