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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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nicht zu, Bernhardine, oder?« Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
    Marie beim gemeinen Gesinde? Das konnte unmöglich Johannes’ Ernst sein. Wer würde ihr dann beistehen?
    »Hör auf zu greinen!«, sagte sie und steckte den Lebkuchen in ihren Beutel zurück. »Ich werde mit meinem Zukünftigen darüber sprechen. Jetzt hilf mir aus dem Kleid; ich will mich waschen.«
    Marie schniefte, nickte aber und trat hinter Bernhardine, um die Schnürung zu lösen und aufzuziehen. Mit einem leisen Rascheln fiel das Reisekleid zu Boden. Nicht einmal einen Spiegel gab es in dieser Kammer. Während Bernhardine zum Waschtisch trat, sah sie aus den Augenwinkeln, wie Marie mit der flachen Hand über die Wände strich, das Bett und den Baldachin berührte; das Gleiche dann auch mit dem Stuhl, der Holztruhe und schlussendlich mit der Kommode tat. Dabei murmelte sie vor sich hin, als würde sie ein Gebet sprechen.
    »Was tust du da?«
    Marie wirbelte herum. »Nichts, mein Spätzchen. Mach jetzt hurtig, ich kümmere mich derweil um deine Kleider, damit du ordentlich Staat machen kannst.«
    Sie drehte sich um und verließ die Kammer. Bernhardine schüttelte den Kopf. Die Alte wurde immer wunderlicher.
    Ob ihr zukünftiger Ehemann sie wohl in diesem Zimmer aufsuchen würde? Obwohl es nicht schicklich war, dass sich die Brautleute vor der Hochzeit ohne Anstandsperson trafen, konnte sie sich nur allzu gut vorstellen, dass dieser Johannes von Hallwyl sich nicht um Sitte und Anstand scherte. Schließlich hatte ihm sein Gewissen auch nicht verboten, sie sich als Eheweib auszusuchen. Eine Frau, die vom Alter her gut und gerne seine Enkelin sein konnte. Vermutlich war dieser Mann ein regelrechter Barbar, der sich nahm, was er wollte, ohne sich um andere zu kümmern.
    Röte schoss ihr heiß ins Gesicht. Sie atmete schwer. Das Korsett schien ihr plötzlich zu eng zu sein, und ein leichter Schwindel erfasste sie. Bernhardine griff sich an den Hals und tastete nach dem kleinen, silbernen Kreuz. Gott möge ihr beistehen!

3
    Seengen, 2010
    D u kommst spät.«
    Valerie warf Anouk einen vorwurfsvollen Blick zu und widmete sich dann wieder dem Geschnetzelten, das in einer Pfanne vor sich hin brutzelte.
    »Entschuldige, Tati. Ich habe die Zeit ganz vergessen.« Anouk öffnete den Geschirrschrank und holte zwei Teller hervor. »Essen wir auf der Terrasse?«
    Valerie nickte. Anouk trat durch die Küchentür auf die Veranda und begann, den Tisch zu decken.
    »Warst du am See?«, fragte ihre Großtante und streute, nachdem sie die Soße gekostet hatte, noch eine Prise Salz hinein.
    »Ja, beim Schloss«, bestätigte Anouk und nahm zwei Kristallgläser von der Anrichte. »Sie haben den hinteren Teil renoviert, nicht?«
    Valerie nickte, öffnete den Kühlschrank und griff nach einer Flasche Weißwein, die sie Anouk in die Hand drückte. »Die Wiedereröffnung war im Frühling. Sogar der Regierungsrat kam und hat eine Rede gehalten, dieser Schwachkopf!«
    Anouk schmunzelte. Ihre Großtante machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Politiker, die für sie lediglich gut bezahlte Lügner in maßgeschneiderten Anzügen waren.
    »Man hat jetzt alles wieder so eingerichtet, wie es früher einmal war. So um das achtzehnte Jahrhundert herum«, fügte sie hinzu. »Es gibt auch solche Ohrendingens am Eingang, aus denen dir einer in sechs verschiedenen Sprachen die Geschichte derer von Hallwyl ins Trommelfell plärrt. Du solltest dir das einmal anschauen oder anhören … wie auch immer.«
    »Ja, mach ich.« Anouk entkorkte den Wein, füllte die Gläser und reichte eines ihrer Großtante. »Worauf wollen wir trinken?«
    »Auf die Morlot-Frauen, die sich nie unterkriegen lassen, was immer auch geschieht.«
    Anouk schluckte, lächelte aber und nickte. »Auf uns!« Sie leerte ihr Glas in einem Zug und schenkte sich gleich wieder nach. Als sie die gerunzelte Stirn ihrer Großtante bemerkte, rieb sie sich die Schläfen. »Ich bin durstig.«
    Schon den ganzen Tag über hatte sie Lust auf einen Drink verspürt. Doch am Bahnhof hatte sie nicht die Zeit gefunden, sich mit ihrem Lieblingslikör, einem italienischen Amaretto, einzudecken. Und die Flasche, die sie mit zu ihren Eltern genommen hatte, hatte ihre Mutter klammheimlich entsorgt. Vermutlich hielt sie ihre Tochter für eine Alkoholikerin. Anouk stieß empört die Luft aus.
    »Hast du etwas gesagt, Liebes?« Valerie nahm die Pfanne vom Herd.
    »Sag mal, Tati, kennst du hier jemanden, der Désirée

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