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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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zum Shoppen zu gehen, war es immer noch besser, als hier herumzusitzen.
    »Ja, okay, wenn du möchtest.«
    Valerie warf ihr einen prüfenden Blick zu, sagte aber nichts, sondern nahm stattdessen drei verschiedenfarbige Pillen, die sie mit einem Glas Wasser hinunterspülte.
    »Um drei Uhr müssen wir aber zurück sein. Ich habe einen Termin bei Doktor Sandmeier. Du weißt schon, dem gutaussehenden Arzt.«
    Valerie zwinkerte.
    »Schon wieder? Der war doch erst gestern hier.«
    Anouk griff nach dem dunklen Brot und betrachtete es kritisch.
    »Er ist die Freundlichkeit in Person. Ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne seine Unterstützung machen würde. Ich glaube fast, er ist ein wenig in mich verschossen.«
    Anouk verschluckte sich und bekam einen Hustenanfall.
    Ihre Großtante runzelte die Stirn. »Denkst du etwa, das sei nicht möglich?«, fragte sie schnippisch.
    Anouk wischte sich die Tränen aus den Augen und unterdrückte einen Lachanfall.
    »Tut mir leid, Tati«, krächzte sie, »ich wollte dich nicht beleidigen. Ja, lass uns nach Lenzburg fahren«, wechselte sie das Thema. »Ich brauche wirklich ein paar neue Klamotten. Mir ist alles zu groß geworden.«

    »Es ist Rot!«
    Anouk stemmte beide Füße in den Wagenboden und klammerte sich an den Sicherheitsgurt.
    »Herrgott«, presste Valerie zwischen den Zähnen hervor, »ich hab’s gesehen! Erschreck mich doch nicht so! Ich baue sonst noch einen Unfall.« Sie verstummte abrupt und warf Anouk einen schnellen Blick zu. »Tut mir leid, Liebes, ich wollte dich nicht so anfahren.«
    Anouk nickte und streifte sich die schweißnassen Hände an ihrer Jeans ab.
    »Ist schon gut, Tati. Mir tut’s auch leid … ich … es …«, sie brach ab und schüttelte den Kopf.
    Es war keine gute Idee gewesen, mit dem alten BMW ihrer Großtante nach Lenzburg zu fahren. Schon auf der Hinreise war Anouk tausend Tode gestorben. Und obwohl Valerie für ihr Alter noch erstaunlich sicher fuhr, war die Rückfahrt die reinste Tortur. Anouk verkrampfte sich, sobald ein Zebrastreifen in Sicht kam. Das T-Shirt klebte wie eine zweite Haut an ihrem feuchten Rücken, und ihr Herzschlag hatte sich verdreifacht.
    »Wir sind gleich bei der Praxis, Schatz.« Valerie legte ihr beruhigend die Hand auf den Oberschenkel. »Vielleicht kann dir Doktor Sandmeier ja eine Tablette geben. Das mit dem Ausflug war vermutlich doch keine so gute Idee«, fügte sie zerknirscht hinzu und betätigte den Blinker.
    Anouk versuchte zu lächeln, was ihr gründlich misslang.
    »Nein, ist schon okay. Irgendwann muss ich mich ja wieder ans Autofahren gewöhnen. Das ist wie beim Reiten: Man muss nach dem Runterfallen gleich wieder aufsteigen.«
    Ihre Großtante nickte.
    »Ja, so sagt man. Et voilà, wir sind da!« Sie stieß die Luft aus, zog die Handbremse an und griff nach ihrer Handtasche. »Kommst du?«
    »Geh bitte schon vor, ich komme gleich nach«, erwiderte Anouk und stieg schnell aus.
    »Ist wirklich alles in Ordnung?«
    Valerie neigte den Kopf. Anouk hasste es, wenn man sie so ansah. Wie einen dreibeinigen Hund. Sie wollte kein Mitleid, wenn sie überhaupt etwas wollte, dann Absolution. Aber die würde sie weder von ihrer Großtante noch von einem anderen Menschen bekommen.
    »Ich brauche nur etwas frische Luft.«
    Valerie wandte sich um.
    »Im zweiten Stock die erste Tür links. Bis gleich, Liebes.«
    Schloss Hallwyl, 1743
    Die hölzerne Eckbank knirschte, als Bernhardine sich eine bequemere Stellung suchte. Der Reifrock zwickte, und ihr Korsett war so eng geschnürt, dass sie fürchtete, demnächst in Ohnmacht zu fallen. Die Standuhr in der Ecke schlug die achte Stunde. Man hatte ihr gesagt, eine Dienstmagd würde sie zum Nachtmahl abholen, und sie den Rest des Tages sich selbst überlassen. Bernhardine knetete ihre eiskalten Finger. Bald würde sie ihrem zukünftigen Gemahl das erste Mal gegenüberstehen. Sie stellte sich vor, wie Johannes von Hallwyl seine Braut wahrnehmen würde: ein sechzehnjähriges, schlankes Mädchen in einem lavendelfarbenen, mit Rosen bestickten Taftkleid. Die eng geschnürte, mit einem violetten Band zusätzlich noch betonte Taille, der durch das Mieder stark gewölbte Busen, den ein spitzenbesetztes Tuch züchtig verhüllte. Und schlussendlich die in Löckchen gelegte Perücke, die ihr kupferrotes Haar verbarg. In Ermangelung einer Putzmacherin vor Ort hatte Marie Hand anlegen müssen. Das Resultat war ansehnlich. Bernhardines Haut war makellos, weshalb sie auch darauf verzichtet

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