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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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hatte, sich das Gesicht weiß zu pudern. Als Hommage an die neue Umgebung hatte sie einen Fächer mit einem Schäferinnenmotiv gewählt und fächelte sich damit energisch Luft zu.
    Wie unhöflich, die zukünftige Schlossherrin warten zu lassen! Zuerst der fehlende adäquate Empfang, die Abwesenheit des Schlossherrn und jetzt auch noch Unpünktlichkeit. Als hätte ihr Ärger das Stichwort gegeben, klopfte es an der Tür. Auf Bernhardines Aufforderung hin trat eine junge Magd in den Salon und knickste unbeholfen.
    »Das Abendessen ist serviert, gnädiges Fräulein … Herrin«, lispelte das Mädchen hilflos und errötete heftig. Bernhardine verdrehte die Augen. Sie würde hier wahrlich viel zu tun haben. Der Dienerschaft korrekte Umgangsformen beizubringen, wäre eine ihrer ersten Handlungen.
    »Nenne mich ›Madame‹!«, befahl sie.
    Die Bedienstete senkte den Blick und nickte. Bernhardine erhob sich und folgte der Magd den Stufengang hinab. Ein langer Korridor, der nur spärlich von flackernden Talglampen beleuchtet wurde, führte in einen Vorraum mit Porträts an den Wänden. Grimmig dreinblickende Männer, viele im Ornat eines Priesters, starrten auf die Eintretenden hinab. Bernhardines Herzschlag beschleunigte sich. Am liebsten wäre sie davongerannt und hätte sich versteckt. Ein jähes Heimweh nach ihrer Mutter überrollte sie wie eine dunkle Welle und machte ihr das Atmen schwer. Unwillkürlich entfuhr ihr ein leiser Seufzer.
    Die junge Magd warf ihr einen ängstlichen Blick zu. »Madame?«, fragte sie leise.
    »C’est rien«, antwortete Bernhardine. »Es ist nichts.« Sie straffte die Schultern und holte tief Luft.
    Der Speisesaal war genau so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte: fensterlos, karg und feucht. Obwohl es Sommer war, brannte ein Feuer im Kamin. Über dem schmucklosen Tisch hingen zwei Lüster, in denen tropfende Kerzen flackerten. Die einzige Zierde war ein verblasster Gobelin an der Wand, der eine Hirschjagd darstellte. Auf dem Tisch befanden sich zwei Gedecke. Eines am Kopf-, das andere am Fußende. Links und rechts der Tafel standen Stühle mit hohen Lehnen wie eine kleine, hölzerne Armee. Die Magd knickste wieder, wandte sich zum Gehen und schob die Türflügel hinter sich zu, die mit einem hohlen Knall ins Schloss fielen. Bernhardine zuckte bei dem Geräusch zusammen. Von ihrem zukünftigen Gemahl war weit und breit nichts zu sehen.
    Es geziemte sich nicht, sich an die Tafel zu setzen, solange der Hausherr nicht anwesend war, deshalb wanderte sie im Saal umher, besah sich den rußigen Kamin, den verblassten Wandteppich und strich mit dem Finger über die Lehne eines Stuhles. Ihre Absätze klackten laut auf dem Steinfußboden. Sie wurde unruhig und hätte unbedingt auf den Abort gemusst. Je länger der Schlossherr auf sich warten ließ, desto ärgerlicher wurde sie. Was war denn das für ein Benehmen? Sie war schließlich seine Braut und nicht irgendein gemeiner Bittsteller.
    Endlich hörte sie Schritte auf dem Korridor. Die Tür wurde aufgerissen, und zwei riesige Wolfshunde sprangen ins Zimmer. Bernhardine stieß einen Schrei aus und drückte sich an die Wand. Die zotteligen Ungetüme stutzten einen Moment, als sie die Fremde bemerkten, stellten die Ohren auf und schlichen dann langsam auf sie zu. Bernhardine fing an zu zittern und presste ihre Arme an die Brust. Einer der Hunde schnüffelte an ihrem Rocksaum, der andere setzte sich hin und fing an, sich ausgiebig zu kratzen.
    »Hector, Achilles, Platz!«
    Hinter den Bestien war ein korpulenter Mann eingetreten. Johannes von Hallwyl trug einen einfachen braunen Justaucorps. Der Oberrock war altmodisch geschnitten und reichte ihm bis zu den Waden. Eine senffarbene Kniehose mit passender Weste, die sich über seinen Kugelbauch spannte wie ein Pergament über einen vollen Schmalztopf, und eine grau gepuderte Perücke vervollständigten seine Aufmachung. Seine dicken Wangen waren gerötet, als hätte er sich zu lange in der Sonne aufgehalten. Dennoch besaß er eine herrschaftliche Ausstrahlung, wenn diese auch so gar nicht mit den Vorstellungen übereinstimmte, die sich Bernhardine bei der Lektüre von Sidonias Gedichten von ihrem zukünftigen Ehegatten gemacht hatte. Sie musste sich beherrschen, um nicht die Nase zu rümpfen.
    »Madame, ich muss mich für mein spätes Erscheinen entschuldigen. Unabdingbare Geschäfte hielten mich von dem Entzücken, Ihre Bekanntschaft früher zu machen, ab. Ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit

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