Die Frau in Rot: Roman (German Edition)
Zäunemann.
Sein warmer Atem strich über Bernhardines Haut und ließ sie erschauern. Die Kerze war schon längst erloschen, aber durch das Bleiglasfenster, das die Enthauptung Johannes’ des Täufers darstellte, drang Mondlicht in das Gotteshaus. Es ließ die bare Haut der Liebenden bläulich schimmern. Bernhardines Rücken schmerzte. Die Kirchenbank war hart und unbequem. Der Maler hatte zwar seinen Umhang darauf gelegt, aber der rauhe Stoff kratzte und trug nur wenig zur Bequemlichkeit bei. Sie streckte sich und erbebte.
Cornelis hob den Kopf. »Ist dir kalt, mein Herz?«
»Fürchterlich.«
Er stützte sich auf die Unterarme und betrachtete sie. Ihr Oberkörper war noch immer nackt. Plötzlich schämte sie sich dessen und kreuzte die Arme über ihren Brüsten.
Cornelis lachte leise. »Etwas spät für Schamhaftigkeit«, neckte er sie und küsste ihren Bauch. Er ließ seine Zunge langsam um ihren Bauchnabel kreisen. Bernhardine kicherte. Sie griff in sein volles Haar und zog seinen Kopf so weit zu sich hinauf, bis sich sein Gesicht auf Augenhöhe mit dem ihren befand.
»Liebst du mich?«, fragte sie und versuchte, den Ausdruck in seinen Augen zu deuten.
»Liebt die Lerche die Morgenröte?«
Er presste seine Lippen auf die ihren, schob seine Hand unter ihre Röcke und massierte das weiche Fleisch ihrer Oberschenkel. Seine Finger wanderten höher, spielten mit der kleinen Knospe. Bernhardine stöhnte. Cornelis verlagerte sein Gewicht, zwängte ihre Beine auseinander und drang erneut in sie ein.
Als sie die Kapelle verließen, war der Himmel noch dunkel, und dicke Flocken wirbelten umher. Das Morgengeläut hatte noch nicht eingesetzt; es konnte also noch nicht fünf Uhr sein. In Kürze würden die Bediensteten aufstehen, um das Morgenmahl für die Knechte und Mägde zuzubereiten. Wie leichtsinnig von ihr, so lange mit Cornelis in der Kapelle geblieben zu sein.
Bernhardine äugte nach allen Seiten. Der Hof lag verlassen da. Sie zog die Kapuze ihres Mantels über die Haube und überquerte mit eiligen Schritten den Platz. Einen Moment hielt sie inne, als sie den schützenden Torbogen erreichte. Sie drehte sich um und sah, wie Cornelis zu den Pferdeställen rannte. Gott sei Dank, niemand hatte sie gesehen!
Die Schlafzimmertür knarrte beim Öffnen unnatürlich laut. Bernhardine wartete und horchte. Nichts. Vermutlich schliefen noch alle. Sie schlüpfte in ihr Gemach und begann, sich zu entkleiden. Das Zimmer war so kalt wie eine Eishöhle. Welches dumme Huhn hatte bloß das Fenster offen gelassen? Bernhardine schlotterte, während sie das einfache Gewand auszog. Es war zum Glück nicht schwierig aufzuknöpfen. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie an Cornelis’ flinke Finger zurückdachte, die mit den Bändern und Verschlüssen keinerlei Mühe gehabt hatten. Als sie das Unterhemd über den Kopf zog, erschauerte sie und fasste sich an den Hals. Sie entzündete eine Kerze, trat vor den Spiegel und erschrak. Grundgütiger, ein feuerrotes Mal prangte an ihrer Kehle! Ihr wurde heiß und kalt. Wie sollte sie das nur verdecken? Alle ihre Kleider waren tief ausgeschnitten und zeigten eine Menge Haut, wie es in Frankreich Mode war.
Sie biss sich auf die Lippen. Zum Glück war es Winter! Im schlimmsten Fall könnte sie eine Erkältung vorschützen und einen Schal tragen, solange der Fleck zu sehen war. Bei diesem Gedanken fiel ihr Désirée ein. Bernhardine bekam ein schlechtes Gewissen. Ob sie noch, wie sie es Marie versprochen hatte, nach ihrer Tochter sehen sollte? Aber um diese Zeit schlief die Kleine bestimmt noch. Und Schlaf war schon immer die beste Medizin gewesen. Es wäre daher sicher besser, wenn sie erst vor dem Frühstück nach ihr sehen und ihr eine Geschichte vorlesen würde. Mit diesen Gedanken schlüpfte Bernhardine unter die Bettdecke, rieb ihre eiskalten Füße aneinander und lauschte dem Morgengeläut, das den neuen Tag ankündigte.
»Dédée ist verschwunden!«
Bernhardine schreckte aus dem Schlaf und rieb sich die Augen. Marie steckte den Kopf ins Zimmer. Ihre grauen Haare standen wild in alle Richtungen ab. Sie sah wie ein Huhn in der Mauser aus. Es war früher Morgen, die Konturen der Möbel noch unscharf. Bernhardine hatte das Gefühl, gerade erst eingenickt zu sein.
»Was sagst du da?«, murmelte sie schläfrig. »Was heißt verschwunden?«
Marie stürmte an ihr Bett und riss ihr die Decke fort.
»Weg! Fort! Nicht mehr da!«, schrie sie und fing kläglich an zu schluchzen. »Eben
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