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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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nickte dabei mehrmals.
    »Tatsächlich?«, meinte Anouk verblüfft. »Ich dachte …«
    Ein schrilles Pfeifen unterbrach ihr Gespräch. Anouk und Max starrten sich erschrocken an. Auf dem Laptop poppten in schneller Reihenfolge Bilder auf: Anouk bei einer Modenschau in Paris, das Schloss Hallwyl, die Seenger Kirche, ein Ölgemälde, auf dem ein eng umschlungenes Paar zu sehen war, Kornblumen, Krähen, wieder Anouk, diesmal in einem Badeanzug, das Berner Münster, zwei Engel, erneut das Wasserschloss, eine Teufelsgestalt, das Bild der Zäunemann, ein Grabstein. Immer schneller wurde die Abfolge der Bilder, begleitet von diesem schrillen Pfeifen.
    Max hämmerte heftig auf die Tastatur ein. Keine Reaktion. Er drückte den Ausschaltknopf. Nichts. Die Bilder rasten weiter. Anouk starrte wie hypnotisiert auf den Bildschirm, bis der Spuk schließlich abbrach. Ein letztes durchdringendes Pfeifen, dann wurde das Display dunkel.
    »Heiliger Strohsack!«, keuchte Max. »Was war denn das?«
    Anouks Hals war ganz ausgetrocknet. Ihre Hand, mit der sie die Bierflasche umklammerte, zitterte unkontrolliert, und sie brauchte einen Moment, bis sie in der Lage war, das Bier auf den Tisch zu stellen.
    »Ich weiß es nicht. Das war echt unheimlich.« Anouk räusperte sich. »Als ob uns jemand etwas Wichtiges mitteilen wollte. Aber von Julia kam das sicher nicht. Sie ist nie in Seengen gewesen. Davon bin ich überzeugt. Und wenn es von ihr gekommen wäre, wären doch sicher auch Bilder vom Unfall mit dabei gewesen. Meinst du nicht?«
    Max zuckte mit den Schultern und drückte mit spitzen Fingern auf der Tastatur herum. Der Bildschirmhintergrund wurde blau, und der Cursor blinkte unschuldig, als ob nichts gewesen wäre.
    Anouk schob den Stuhl energisch auf dem Parkett zurück, was ein hässliches Kratzgeräusch verursachte. Sie musste hier weg! Die Sache fing an, sie zu überfordern. Das Ganze war kein Spiel mehr, sondern mutierte langsam zu einem unheimlichen Szenario mit ungewissem Ausgang. »Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um«, sagte ihr Vater immer. Er hatte recht. Es war an der Zeit, die Sache ruhen zu lassen. Sonst würde am Ende noch einer von ihnen Schaden nehmen. Körperlich oder psychisch – beides war nicht tragbar.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt nach Hause gehe.« Sie schnappte sich ihre Handtasche und steuerte auf den Ausgang zu.
    »Anouk?« Sie blieb stehen und schaute über die Schulter. »Wir werden rauskriegen, was hier vor sich geht, okay? Du bist nicht verrückt.«
    Max erhob sich und streckte seine Hand aus. Anouk wich einen Schritt zurück und lächelte bemüht.
    »Gut!«, sagte sie und presste ihren Beutel an die Brust. »Wir sehen uns bei der nächsten Probe.«
    »Soll ich dich nicht nach Hause fahren?«
    Er schaute sie hoffnungsvoll an, doch sie schüttelte vehement den Kopf, so dass ihre roten Locken flogen.
    »Ich brauche jetzt einen Moment für mich allein. Tut mir leid … ciao.«

    Das Bild kam Max bekannt vor: eine Frau, die zur Tür hinausstürzt. Gestern war es Brigitte gewesen, soeben Anouk. Nur war er bei der einen erleichtert gewesen, während er bei Anouk einen scharfen Stich der Enttäuschung fühlte. Als sie ihn vorhin gebeten hatte, seinen Computer benützen zu dürfen, war ein regelrechtes Feuerwerk der Gefühle in seinem Inneren explodiert, und er hatte sie beide schon eng umschlungen auf seinem Doppelbett liegen sehen. Doch das war nur Wunschdenken gewesen. Und dieser unheimliche Computercrash und Anouks Reaktion darauf hatten seine Hoffnung auf eine mögliche Annäherung dann endgültig zunichtegemacht. Vielleicht sollte es einfach nicht sein, und ehrlich gesagt war er sich auch gar nicht sicher, ob eine so komplizierte Beziehung das Richtige für ihn war.
    Seufzend setzte er sich wieder an den Tisch, stützte seinen Kopf in eine Hand und schaltete mit der anderen den Computer aus. Wenn das mit seinen Gefühlen doch bloß auch so einfach ginge!

    Anouk floh nach unten, wo Frau Bolligers Lächeln wie eine kaputte Glühbirne erlosch, als Anouk an ihr vorbeirannte und ihre Einladung zu einem weiteren Tee mit einem stummen Kopfschütteln beantwortete. Nur weg von hier! Am liebsten gleich nach Zürich zurück. Egal, ob zu den Eltern oder in ihr Loft. Nur weg von verstaubten Versen, tollwütigen Krähen und durchgedrehten Computern!
    Sie hastete die Kieseinfahrt hinunter und lief Richtung Seengen. Wenn sie sich beeilte, würde sie noch das letzte Postauto nach Lenzburg

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