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Die Frau in Schwarz

Die Frau in Schwarz

Titel: Die Frau in Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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In den Kommoden und dem Schrank befand sich Kleidung: Unterkleidung, Alltagskleidung, Sonntagskleidung, Spielkleidung – alles für einen Jungen von etwa sechs oder sieben Jahren –, sehr schöne, gute Kleidung im Stil jener, die meine eigenen Eltern als Kinder auf den Atelieraufnahmen getragen hatten, die wir immer noch zu Hause haben – der vor gut sechzig Jahren übliche Stil.
    Außerdem gab es Spielzeug, viel Spielzeug, und alles war geradezu peinlich sauber aufgeräumt. Reihen von Zinnsoldaten waren in Regimentern aufgestellt. Ein Bauernhof mit bemalten Scheunen und Zäunen, Heuhaufen und Getreidegarben stand auf einem großen Holzbrett. Es gab ein Schiffsmodell mit Masten und Leinensegeln, vom Alter ein wenig vergilbt. Neben einem glänzenden Kreisel lag eine Lederpeitsche, Schachteln mit Brettspielen wie Halma, Dame und Schach waren aufgestapelt, ebenso Puzzles mit ländlichen Szenen, einem Zirkus und dem Gemälde Boyhood of Raleigh. Und in einer kleinen Holztruhe befanden sich ein Affe aus Leder, eine Katze und vier Kätzchen, aus Wolle gestrickt, ein Plüschbär und eine haarlose Porzellanpuppe in Matrosenanzug. Auch Farbstifte und Pinsel, einen Malkasten und Fläschchen mit farbiger Tusche hatte der Junge gehabt; ein Buch mit Kinderreimen, ein anderes mit Sagen des klassischen Altertums, eine Bibel und ein Gebetbuch, ein Paar Würfel und zwei Packungen Spielkarten, eine Miniaturtrompete und eine bemalte Musikschatulle aus der Schweiz und einen schwarzen Hampelmann. Ich hob einige der Sachen hoch, strich über sie, roch an ihnen. Sie mussten sich seit einem guten halben Jahrhundert hier befinden, und doch sahen sie aus, als hätte noch am Nachmittag jemand mit ihnen gespielt und sie am Abend ordentlich aufgeräumt. Ich hatte keine Angst mehr, aber ich war verwirrt. Mich überkam ein merkwürdiges Gefühl, so, als bewegte ich mich in einem Traum. Doch hier war nichts, was mich erschrecken oder mir etwas anhaben könnte, nur Leere, eine offenstehende Tür, ein ordentlich gemachtes Bett und ein eigenartiges Gefühl von Traurigkeit, als wäre etwas verlorengegangen. Ich spürte die Verlassenheit und Trauer in meinem Herzen. Wie kann ich es erklären? Ich kann es nicht. Aber ich erinnere mich, was ich empfunden hatte.
    Die Hündin saß ruhig auf dem Läufer neben dem Bett. Als ich alles gesehen und doch keine Erklärung hatte und nicht mehr in dieser traurigen Atmosphäre sein wollte, verließ ich das Kinderzimmer nach einem letzten langen Blick rundum und schloss die Tür hinter mir. Es war noch nicht spät, aber ich hatte keine Energie mehr, mich weiter mit Mrs. Drablows Papieren zu beschäftigen. Ich fühlte mich ausgelaugt, erschöpft. Die Gefühle, die mich durchdrungen und wieder verlassen hatten, ließen mich wie Strandgut nach einem Sturm zurück.
    Ich bereitete mir einen Grog, machte meine Runde durchs Haus, schaufelte ein wenig Asche auf die Kaminfeuer und verschloss die Türen, ehe ich mich ins Bett legte, um Sir Walter Scott zu lesen.
    Aber zuvor schaute ich noch einmal in den Gang, der zum Kinderzimmer führte. Die Tür war noch geschlossen, wie ich sie verlassen hatte. Ich lauschte, doch nicht der geringste Laut war zu hören. Ich störte die Stille und Einsamkeit nicht, sondern kehrte zu meinem Zimmer im vorderen Teil des Hauses zurück.

Pfeif, und ich werde zu dir kommen
    I n der Nacht begann es zu stürmen. Während ich gelesen hatte, hörte ich, wie Böen an den Fenstern rüttelten, und als ich urplötzlich in den frühen Morgenstunden aus dem Schlaf schreckte, war die Windstärke um ein Vielfaches gestiegen. Ich kam mir wie auf einem sturmgebeutelten Schiff vor, so sehr warf sich der Wind von der offenen Marsch gegen die Mauern. Er ließ die Fenster klirren, strich ächzend durch die Schornsteine und pfiff durch alle Winkel und Ecken.
    Anfangs erschreckte er mich, doch während ich still im Bett liegen blieb und mich fasste, dachte ich, wie lange Eel Marsh House doch schon hier stand, unerschütterlich wie ein Leuchtturm, ganz allein und ungeschützt der Witterung ausgesetzt, Jahr um Jahr Winterstürmen, peitschendem Regen und Hagel trotzend. Es erschien mir unwahrscheinlich, dass es sich ausgerechnet heute Nacht von den Grundmauern heben würde. Und dann erwachten wieder Erinnerungen an meine Kindheit, als ich warm und gemütlich in der Geborgenheit meines Bettes im Kinderzimmer gelegen, im obersten Stockwerk unseres Hauses in Sussex dem Sturm gelauscht hatte, der sich heulend gegen

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