Die Frau meines Lebens
Nacht
im Museum zu verbringen? Oder gar das Museum auszurauben?
» Mon Dieu «, rief ich erstaunt aus, sah
auf die Uhr und tat überrascht. Als ob ich seit heute mittag nicht sowieso jede
halbe Stunde auf die Uhr geschaut hätte! »Wo ist nur die Zeit geblieben?« ja,
wo war sie geblieben, die verdammte Zeit, oft genug meine charmante Verbündete,
heute meine schönste Feindin. »Ich hab gar nicht gesehen, daß es schon so spät
ist«, log ich munter weiter.
Ich steckte
das Notizbuch weg und machte eine weitausholende Geste mit dem Arm. »Ich liebe diesen Garten«, rief ich
enthusiastisch. »All diese wunderbaren Skulpturen!«
»Sie können
gerne morgen früh wiederkommen«, sagte der Museumswärter unbeeindruckt.
Wahrscheinlich war er kunstfanatische Menschen aus aller Herren Länder gewöhnt.
Jedenfalls teilte er meine Begeisterung nicht.
Vielleicht,
ging es mir durch den Sinn, stellten sie in den Museen grundsätzlich nur Wärter
ein, die mit den Kunstwerken nicht viel am Hut hatten, um das Risiko möglichst
gering zu halten, daß etwas gestohlen wurde.
»Wir öffnen
bereits um halb zehn«, fuhr der Mann fort und geleitete mich persönlich zum
Ausgangstor. Ich hatte den Eindruck, daß er mir nicht ganz über den Weg traute.
So stand
ich also um drei Minuten nach sechs wieder in der Rue de Varenne, allein mit
meinem Handy und einer letzten Chance, Isabelle endlich an den Apparat zu
bekommen. Unschlüssig, ob ich diesen wichtigen Anruf mitten auf der Straße
führen sollte, ging ich ein paar Schritte und bog in die Rue de Bourgogne ein.
Ich fand ein kleines ruhiges Café, bestellte mir einen Rotwein und wartete, bis
der Kellner mit dem Glas kam. Ich nahm einen Schluck, um mir Mut zu machen. Ich
hatte alle Hoffnung und keine mehr.
Unschlüssig
wiegte ich das kleine schwarze Handy in meiner Hand.
Einerseits
blieb nur noch diese eine Nummer übrig, also mußte es diesmal die richtige Nummer sein. Andererseits – wie
wahrscheinlich war es, daß mir nach neun Fehlversuchen endlich der große
Treffer gelang?
Der
Augenblick bekam die Bedeutung einer Mondlandung. Ehrfürchtig tippte ich die
letzte Nummer – die mit der Endziffer 0 – ein und hielt den Atem an.
Es läutete
ein paarmal durch, dann wurde unter großem Getöse ein Hörer abgenommen.
» Ouais? « bellte es in den Hörer. Es
hallte wie in einer leeren Halle. Eine männliche Stimme, die mich an einen
bretonischen Fischer denken ließ.
Was hatte
ich noch zu verlieren?
»Entschuldigen
Sie, aber … kennen Sie zufällig eine Isabelle?« fragte ich ohne Umschweife.
»Isabelle?«
Er schien zu überlegen. » J'aipas! «
Es klang
wie »Scheppä«, und ich entnahm dem kurzen Statement, daß er wohl keine Isabelle
kannte. Ich beschloß einen letzten Versuch zu wagen.
»Mit wem
spreche ich denn, bitte?«
»Hier ist
die Boucherie Duchaine«, polterte die Stimme, und der bretonische Fischersmann
verwandelte sich plötzlich in einen gewaltigen Metzger mit blau-weiß
gestreifter Schürze, schwarzglänzenden, nach hinten gekämmten Haaren und großen
roten Händen, die ein blutiges Hackebeil nach unten hielten.
»Geht es um
eine Bestellung?« fragte Monsieur Duchaine in meinen kleinen Alptraum hinein,
und seine Worte hallten hohl von der weiß gekachelten Wand der Metzgerei wider,
wo ganze Schweine kopfüber an silbernen Haken von der Decke baumelten.
Ich
schüttelte mich. »Nein, nein«, erwiderte ich schnell. »Ich bin auf der Suche
nach einer … nach einer Frau …«
Der Metzger
lachte schallend. Es klang gruselig.
» Ouais, ouais, Monsieur , das sind wir
alle.«
Offenbar
gab es einen speziellen Metzgerhumor, von dem ich bisher noch nichts gewußt
hatte.
»Aber eine
Frau? Da sind Sie ganz falsch hier«, lachte der Metzger weiter. »Hier gibt es
nur Schweine … Rinder … Lämmer – alles ganz frisch …« Im Hintergrund hörte ich
leises Hacken. Mir wurde leicht schlecht, und ich mußte plötzlich an das Steak
au poivre denken, das ich gestern abend verschlungen hatte, ohne auch nur einen
Gedanken an das gemordete Tier zu verschwenden.
»Dann habe
ich wohl die falsche Nummer gewählt«, sagte ich und überlegte kurz, ob ich
Vegetarier werden sollte. Giselle, eine Ex-Freundin von mir, hatte immer mit
leichtem Ekel in der Stimme gesagt »Ich esse keine toten Tiere.« Damals hatte
ich gelacht.
» Ouais, ouais, Monsieur, sieht ganz so
aus«, dröhnte es gutgelaunt in mein Ohr. Der Metzger war ein fröhlicher Mann.
Und offenbar einer der wenigen
Weitere Kostenlose Bücher