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Die Frau meines Lebens

Die Frau meines Lebens

Titel: Die Frau meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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erwartete? Ich
überquerte die Rue de Rennes mit neuem Ziel und beschloß in die Buchhandlung
zurückzukehren. Es war kurz vor sieben, und Julie war sicher noch da.
    Ach, die
gute Julie! Sie hatte noch jedes Chaos geordnet. Es gibt Menschen, an deren
Seite man das Gefühl hat, daß alles plötzlich viel weniger schlimm ist. Julie
war so ein Mensch, und auch wenn ich mich nie in sie hätte verlieben können,
dachte ich in diesem tragischen Moment meines Lebens mit fast zärtlich zu
nennender Dankbarkeit an sie. » Il faut
dedramatiser « war einer ihrer Lieblingssätze in Krisensituationen. Man
sollte kein Drama draus machen. Als beispielsweise mein Auto vor zwei Jahren
den Geist aufgab und ich mich schwarz ärgerte, sagte sie schließlich: »Antoine,
es ist nur ein Auto!« Und so komisch
es klingen mag – es half mir.
    Ja, ich
würde in die Buchhandlung gehen. Immerhin war ich Julie noch eine Erklärung
schuldig. Aber wenn ich ehrlich bin, hoffte ich wohl, daß die kluge Freundin
nicht nur Verständnis, sondern auch einen Rat für mich hatte.
    Immerhin
war sie doch diejenige von uns beiden, die Tag für Tag ihre Ratgeber aus den
Regalen zog, wenn es galt, einem Unglücklichen, Hilfesuchenden oder
Unzufriedenen zu helfen.
    Ich zog
mit einem Schwung die schwere Glastür von Librairie du Soleil auf. Julie war
noch da. Sie saß hinter dem Computer und schaute auf, als die Türglocke
klingelte.
    »Antoine!«
rief sie. »Der verlorene Sohn kehrt heim! Mit dir habe ich heute gar nicht mehr
gerechnet.«
    »Ach,
Julie, wenn du wüßtest …«, sagte ich nur.
    Sie stand
auf, strich ihren Rock glatt, der ein wenig hochgerutscht war, kam auf mich zu
und musterte mich mit prüfendem Blick.
    »Du lieber
Himmel! Was ist denn mit dir passiert?« fragte sie mitfühlend. »Du siehst aus,
als hätte dich ein Laster überrollt.«
    »Stell dir
vor, genauso fühle ich mich auch.« Ich ließ mich stöhnend auf einen Stuhl
sinken.
    »Hat es
nicht geklappt mit der Frau deines Lebens?« Julie zog sich eine Holztrittleiter
heran und setzte sich auf die oberste Stufe.
    Ich
schüttelte den Kopf. »Alles Scheiße«, sagte ich leise.
    »Ja, ich
weiß … Vogelscheiße«, entgegnete sie und lächelte. »Hör mal, Antoine, du siehst
furchtbar aus! Komm, mach dich frisch, und ich mache uns einen schönen Tee, und
dann erzählst du mir alles noch mal in Ruhe.«
    Ich
seufzte. Ich kenne Julies »schöne Tees«. Das sind immer solche Kräutertees mit
klangvollen Heilsversprechen wie »Paradies des Abends« oder »Oase der Ruhe«.
Wenn man großes Glück hat, bekommt man einen normalen schwarzen Thé au citron.
    Ehrlich,
ich bin kein Freund von Tee, aber in meiner Verfassung hätte ich wahrscheinlich
nach allem gegriffen, was sich mir bot. Wenn Julie gesagt hätte »Komm, wir
machen erst mal ein paar Yoga-Übungen« oder »Komm, wir rauchen erst mal einen Joint«,
hätte ich einfach genickt, weil die Versatzstücke »Komm« und »erst mal« in
meinen Ohren unglaublich beruhigend klangen und implizierten, daß danach alles
wieder gut würde.
    Ich nickte
also, stand auf und ging in den kleinen Waschraum im hinteren Teil der
Buchhandlung. Als ich die Toilette sah, mußte ich plötzlich ganz dringend
pinkeln. Nicht mal dazu war ich gekommen.
    Ich wusch
mir die Hände, schüttete mir etwas Wasser ins Gesicht, glättete meine Locken
und blickte in den kleinen Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Entsetzt
starrte ich mich an. Die flackernden Augen eines Wahnsinnigen starrten zurück.
Meine Güte, Julie hatte recht. Ich wirkte wirklich etwas unter die Räder
gekommen, nur daß der Laster offensichtlich ein Panzer gewesen war. In der Tat
hatte ich schon besser ausgesehen, und das war noch gar nicht so lange her – ein
paar Stunden, um genau zu sein. Bevor ich Isabelle begegnet war und anfing wie
ein Verrückter durch Zeit und Raum zu hetzen und mich wildfremden Menschen am
Telefon auszuliefern.
    » Ça va, Antoine? Alles in Ordnung?« rief
Julie aus der Teeküche.
    »Ja, alles
klar«, rief ich zurück. Nichts war klar, aber es ging mir schon besser.
    Eine Minute
später hielt ich eine dampfende Tasse in der Hand und trank in kleinen
Schlucken ein Gebräu, von dem ich annahm, daß es Pfefferminztee war.
    Julie hatte
die Ladentür abgesperrt und hörte sich meine kleine traurige Geschichte
geduldig an. Meine Selbstanklagen, die ganzen Fehlversuche, die falsche Spur,
die mich ins Musée Rodin geführt hatte, die eine Nummer, die noch blieb, unter
der sich aber

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