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Die Frau meines Lebens

Die Frau meines Lebens

Titel: Die Frau meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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war«,
rief ich aufgeregt und studierte das Plakat genauer. Das St. Petersburger
Salon-Orchester spielte – nein, hatte gespielt.
Das Konzert war bereits letzte Woche gewesen.
    »Und der
heißt Snape? « fragte Nathan
ungläubig.
    Ich muß
gestehen, daß ich dieses Detail meiner kleinen Geschichte ausgelassen hatte,
als ich Nathan von der Begegnung mit Isabelle erzählte.
    »Nein,
natürlich heißt er nicht wirklich Snape, ich nenne ihn nur so. Was weiß ich,
wie der Blödmann heißt …« Der Wind zerrte erneut an dem Plakatzipfel und gab
plötzlich ein paar Buchstaben frei, die sich vor meinen Augen allmählich zu
einem Namen formten. »Di-mi-tri An-to-nov«, las ich langsam.
    Und dann
wäre ich fast in Ohnmacht gefallen.
    Eine Welle
der Erkenntnis schwappte über mir zusammen, ich hörte eine Stimme, die
»Dimitri-Dimitri« in mein Ohr schrie und Walzermelodien summte, Snape fidelte
vor mir auf seiner Geige, aber es war gar nicht Snape, es war Dimitri. Der
Dimitri, der sich mit Isabelle im Café getroffen hatte, jener Dimitri, von dem
die durchgeknallte Russin am Telefon faselte, deren Nummer ich aus welchem
Grund auch immer von Isabelle bekommen hatte.
    Das war
kein Zufall, das war das fehlende Verbindungsstück.
    Ich
taumelte in Nathans Arme.
    Es war fünf
vor elf, es goß in Strömen, und wie auch immer das alles zusammenhing, ich
hatte eine erste, echte, ernstzunehmende Spur.

14
    Eine
Viertelstunde später saßen wir auf meinem alten dunkelbraunen Ledersofa und
diskutierten wie zwei Politiker.
    Die nassen
Jacken hingen über der Heizung unter dem Fenster. Unaufhörlich klatschte der
Regen gegen die Scheiben. Nathan war noch mit hochgekommen in meine
Drei-Zimmer-Altbauwohnung. Er sagte, man könne mich »in diesem exaltierten
Zustand« nicht mir selbst überlassen, aber ich hatte den Verdacht, daß er nun,
da meine Hirngespinste allmählich eine feste Form annahmen, selbst ziemlich
interessiert an der ganzen Sache war.
    Nachdem
ich, überwältigt von Erkenntnis, im Angesicht der schicksalhaften Litfaßsäule,
diesem Fingerzeig des Himmels, einen Moment der Schwäche gezeigt hatte und in
Nathans Armen zusammensackte wie ein – in der Tat – nasser Sack, war ich den
Rest des Heimwegs von einer Euphorie erfüllt, die mich geradezu über das
Pflaster tanzen ließ.
    Alle
Energie kehrte in meinen entkräfteten Körper zurück, ich war Gene Kelly, der im
Regen steppte, ich hatte dieses unvergleichliche Singin'-in-the-rain-Gefühl , und wenn Nathan nicht an meiner Seite
gewesen wäre, hätte ich vielleicht auch noch gesungen.
    Statt
dessen redete ich auf ihn ein, erklärte aufgeregt, welchen Zusammenhang es gab
zwischen dem Musiker auf dem Plakat und der Telefonnummer mit der Endziffer 6,
zwischen Snape und Anastasia und der schönen Isabelle, und mein skeptischer
Freund fing allmählich Feuer. Als ich mit klammen Fingern die Tür zu meiner
Wohnung in der Rue Mabillon aufschloß, war er mein Verbündeter.
    Das neue
Bündnis mußte begossen werden. Ich war ziemlich außer Rand und Band und machte
noch eine Flasche Rotwein auf. Ich füllte Nathan und mir die Gläser, wir ließen
uns ins Sofa fallen und lachten wie irre, es war wie im Film, wenn zwei gute
Freunde einen draufmachen. Und dann gerieten wir uns plötzlich in die Haare.
    »Du willst
doch nicht im Ernst jetzt noch bei der alten Tante anrufen!« Nathan runzelte
die Stirn.
    Ich rauchte
meine dritte Zigarette und paffte aufsässig den Rauch in die Luft.
    »Und wieso
nicht? Meinst du, ich habe Lust, noch die ganze Nacht wach zu liegen und zu
rätseln? Nach so einem Tag?« Ich
fand, daß ich jedes Recht dazu hatte, anzurufen.
    »Weißt du,
wie spät es ist? Willst du, daß die Alte einen Herzinfarkt kriegt?«
    »Wieso
spät? Alte Leute können doch eh nachts nie schlafen«, entgegnete ich und zog
mein Handy aus der Tasche. »Wer weiß, ob die Alte überhaupt drangeht? Vielleicht … vielleicht war sie nur zu Besuch. Genau, sie hat Isabelle am Nachmittag
besucht und ist ans Telefon gegangen, weil Isabelle gerade Kuchen holen war.«
    »Ja, klar«,
sagte Nathan. »Das klingt logisch. Und weil das nicht ihr Apparat war, hat sie
auch gleich ›Dimitri, bist du es?‹ in den Hörer gerufen.«
    Nathan ist
mein Freund, aber manchmal hasse ich ihn.
    »Meine Güte – diese Russin ist doch eh nicht ganz dicht. Die würde wahrscheinlich auch bei
dir ans Telefon gehen und Dimitri schreien. Vielleicht hat Isabelle in ihrer
Verwandtschaft russische Exilanten, was weiß ich.

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