Die Frau meines Lebens
sah mich erwartungsvoll an,
während er sein Lammkarree kaute.
»Oh, Mann.
Das klingt nicht gut. Erzähl einfach der Reihe nach«, schlug er vor.
»Es fing
alles damit, daß ich heute mittag ins Café de Flore ging und mein
Lieblingsplatz im ersten Stock besetzt war«, begann ich. Und dann erzählte ich
der Reihe nach, was passiert war.
Nathan ließ
mich reden. Ich halte es ihm wirklich zugute, daß er mich nicht ein einziges
Mal unterbrach. Ich erzählte alles, jedes Detail, ich redete über alle Hochs und
Tiefs, die ganze Achterbahn meiner Gefühle. Als ich von der alten Russin
erzählte, fing Nathan an zu lachen, als ich bei der Geschichte mit Nathalie und
der falschen Isabelle angelangt war, bestellte er etwas Käse für uns, und als
ich über die Seelenlosigkeit der Kellner im Flore schimpfte, die mich bei
meinen Ermittlungen nicht unterstützen wollten und mich sogar auf die Straße
gesetzt hatten, orderte er zwei kleine Schwarze.
Es war zehn
vor zehn, und die Jazz-Musiker nahmen noch einen Drink an der Bar, bevor ihr
Auftritt begann.
Ich fühlte
mich, als hätte ich nicht einen Tag erzählt, sondern mein ganzes Leben. Die
Flasche Rotwein war leer.
»So sieht
es aus, Nathan«, schloß ich meinen Bericht. »Vor dir sitzt ein Mann, der nicht
glücklicher und nicht unglücklicher sein könnte. Und nun brauche ich deinen
Rat.«
Nathan
schwieg einen Augenblick. »Tja«, sagte er dann, und wiederholte es noch einmal.
»Tja.« Er kniff sich mit der rechten Hand ins Kinn und massierte es, als müßte
er sich überlegen, wie er mir die nächsten Worte beibringen konnte. »Das ist
wirklich eine ziemlich abenteuerliche Geschichte.« Er sah mich an und wiegte
den Kopf. »Eine wirklich aufregende Geschichte.« Dann nahm er einen Schluck aus
der kleinen weißen Espressotasse und stellte sie entschlossen ab. »Ich will
kein Spielverderber sein, aber mal im Ernst, Antoine – steigerst du dich da
nicht in etwas rein, was in Wirklichkeit nichts ist – oder zumindest nicht
viel?« Er schob Daumen und Zeigefinger so zusammen, daß nur noch ein winziger
Spalt dazwischen war. »So viel«, sagte er. » Rien!«
Ich starrte
ihn verärgert an. Hatte er nichts begriffen?
»Es ist ALLES , Nathan«, entgegnete ich. »Glaubst du nicht an die Liebe?
Hast du keine Phantasie, oder was?«
»Antoine«, sagte
er wieder. Er senkte den Kopf, und eine Strähne seiner dunklen Haare fiel ihm
in die Stirn. »Wir kennen uns jetzt schon so lange. Du bist mein Freund, das
weißt du. Aber das hier … ist schon ziemlich verrückt, das mußt du zugeben.«
Ich zuckte
die Achseln.
»Als Therapeut
würde ich sagen: »Kompletter Realitätsverlust«. So etwas nennt man eine ideé fixe. Es gibt Leute, die sind schon
für weniger ins Irrenhaus gewandert. Was ist los mit dir? Liest du zu viele
Romane? Komm runter, mein Freund – komm zurück ins wirkliche Leben!«
»Ich bin im wirklichen Leben«, entgegnete
ich störrisch. »Ich hab mich noch nie so wirklich gefühlt. Ich hab überhaupt
noch nie so viel gefühlt wie in den letzten Stunden. Hör auf, mich wie einen
Patienten zu behandeln. Sag mir lieber, was du als Freund von der Sache hältst.«
»Als
Freund?« Nathan sah mich mitleidig an. »Als Freund sage ich: Armer Antoine. Muß
es ausgerechnet die sein? Mein Gott, Paris ist voller schöner Frauen.« Er zog
sein Handy hervor. »Hier, siehst du das?« fragte er. »Ich könnte jetzt drei
Anrufe machen, und in einer halben Stunde sitzen hier drei entzückende Mädchen,
eines schöner als das andere.« Er blickte hinunter in die Bar und ließ seine
Blicke schweifen. »Oder sieh mal, die kleine Rothaarige da, die mit den langen
Haaren und den engen Jeans. Die ist doch umwerfend!«
Das
rothaarige Mädchen schaute plötzlich in unsere Richtung, als ob es Nathans
Worte gehört hätte. Nathan nickte ihr zu, und die Kleine schenkte ihm einen
koketten Blick.
»Siehst
du?« fuhr Nathan begeistert fort. »Die steht da ganz allein und wartet nur
darauf, von so einem netten, intelligenten Typ angesprochen zu werden, wie du
einer bist. Mann, ist die sexy!«
Ich
seufzte. Das rothaarige Mädchen nippte an seiner Piña Colada. Ja, sie war sexy,
aber darum ging es doch gar nicht.
»Darum geht
es doch gar nicht«, erklärte ich mit Nachdruck. »Du tust grad so, als wäre bei
mir der sexuelle Notstand ausgebrochen. Was soll ich mit der kleinen Roxanne da
unten? Wenn du auf Rothaarige stehst, kannst du ja gern dein Glück bei ihr
probieren.« Ich umklammerte
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