Die Frau meines Lebens
meine kleine Tasse. »Verstehst du denn gar nicht,
wie besonders das heute gewesen ist? Isabelle ist für mich bestimmt. Sie hat es
gefühlt, genau wie ich. Sie hat mir ihre Telefonnummer zugeworfen – ich meine,
das tut eine Frau doch nicht einfach so .«
»Du sagst
es«, entgegnete Nathan trocken. »Wer weiß, was das für eine Braut ist?
Vielleicht ist das ihre Masche.«
Ich
schnaubte empört.
»Und selbst
wenn nicht«, fuhr Nathan ungerührt fort. »Mensch, jetzt überleg doch mal!
Bitte! Aktiviere deine grauen Zellen! Du hast bisher kein einziges Wort mit ihr
gesprochen …« Er schwieg einen Moment. »Nicht ein einziges verdammtes Wort. Wie kannst du da so sicher sein, daß das
die Frau deines Lebens ist?« Nathan zerbröselte ein Stück braunen Zucker.
»Ich weiß
es eben«, entgegnete ich leise. Trotzig starrte ich die kleinen braunen
Zuckerkrümel an, die auf die weiße Tischdecke rieselten, und plötzlich wurde
ich ganz traurig.
»Okay,
Antoine! Fassen wir mal zusammen. Das Mädel sieht super aus, tolle Figur,
schönes Gesicht. Irgend etwas an ihr haut dich total um. Das ist nichts
Ungewöhnliches oder Magisches. Das sind die Bilder, die wir von klein auf mit
uns herumtragen.« Nathan war in seinem Element. »Glaubst du, mir ist so was
nicht auch schon passiert? Ich meine, denk nur an Lucie. Weißt du noch, Lucie?
Ich hab mich auf Anhieb in sie verknallt. Ein Blick, und ich war hin und weg.
Aber dann … Was war dann?« Er wartete einen Moment, um seine Frage selbst zu
beantworten. »Dann macht dieses Wahnsinnsweib den Mund auf, sagt den ersten
Satz, und du denkst nur noch: ›Ach du liebe Güte, wie komm ich jetzt aus dieser
Nummer wieder raus?‹ – Und das, mein lieber Antoine, ist die Realität.«
Ich dachte
daran, daß Isabelle den Satz mit dem Buch geschrieben hatte. Eine Frau, die strohdumm
war, hätte einen solchen Satz nicht schreiben können. Ich dachte an ihre
schlanken Beine mit den zarten Fesseln, um die sich die Riemchen ihrer
schwarzen Schuhe wanden. Ich dachte, daß selbst ihre Beine intelligent
aussahen, aber das sagte ich nicht. Nathan hätte mich ausgelacht.
In der Bar
begannen die Musiker mit ihrer Darbietung, der Saxophonist spielte » I cant give you anything but love, baby «,
es war ziemlich laut, es war mehr, als ich im Moment ertragen konnte.
Nathan
rückte mit seinem Stuhl an mich heran. »Hey, Antoine, jetzt sei nicht sauer.«
Ich sagte nichts, und er stupste mich freundschaftlich in die Seite. »Das war
ein schöner Traum, dem du da nachgejagt bist, aber die meisten Träume enden in
einer Katastrophe, wenn man sie in die Wirklichkeit holt. – Komm, wir gehen an
die Bar und trinken noch was!« Er blickte begeistert zu der Band hinüber.
»Nicht schlecht, die Jungs, was?«
Ich
schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Nathan, aber ich muß hier raus.«
Nathan sah
mich enttäuscht an. »Schon gut, Antoine, dann gehen wir beide. Du bist
eingeladen.«
Er zahlte,
und wir drängten uns durch die lachenden und schwatzenden Menschen, die
mittlerweile den Eingangsflur bevölkerten und sich im Rhythmus der Musik
bewegten.
Dann schlug
die Tür hinter uns zu, und es wurde ruhig. Die frische Luft tat gut. Ich atmete
sie ein wie eine Kostbarkeit.
»Alles
okay?« Nathan hakte sich bei mir ein. »Ich geh noch ein Stück mit dir«, sagte
er dann. »Na, komm, jetzt laß den Kopf nicht hängen! Morgen sieht die Welt
schon wieder anders aus. Du brauchst einfach 'ne Mütze Schlaf.«
Ich nickte
ergeben. Vielleicht hatte er recht. Vielleicht hatte ich mich wirklich in diese
Sache reingesteigert. Vielleicht sah morgen alles ganz anders aus. Vielleicht
sollte ich Isabelle vergessen und Natalie anrufen. Ich war völlig
durcheinander, so viel stand fest. »Tut mir leid, daß ich so früh schlapp mache.
Jetzt konntest du gar nicht mehr die Band hören«, sagte ich kleinlaut.
Nathan zog
mich mit sich. »Mach dir keinen Kopf. Ich kann jeden Tag ins Bilboquet, wenn
ich will.«
Gemeinsam
gingen wir die paar Schritte bis zum Boulevard Saint Germain. Hier trennten
sich eigentlich unsere Wege, aber Nathan verabschiedete sich nicht wie sonst an
der Ampel, um zur Metrostation zu gehen. »Ich bring dich noch nach Hause«, sagte
er. Ich glaube, er hatte ein schlechtes Gewissen.
»Glaub mir,
wenn ich dir diese Isabelle herbeizaubern könnte, ich würde es auf der Stelle
tun.« Er drückte versöhnlich meinen Arm, als wir den Boulevard heruntergingen.
»Aber solange du sie noch nicht gefunden hast,
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