Die Frau meines Lebens
fühlte
mich etwas unbehaglich, wie ich da so vor dem Gebäude herumlungerte, als würde
ich ein Bombenattentat planen.
Es war noch
zu früh, um zu klingeln, andererseits wollte ich sichergehen, daß Isabelle das
Haus nicht schon verließ und mir wieder entwischte.
Ich ging
ein paar Schritte auf und ab und schwenkte meinen Schirm. Dann blieb ich wieder
vor dem Haus stehen und lehnte mich an die Mauer. Ich sah auf meine Uhr und tat
so, als ob ich wartete. Ich gähnte, obwohl ich nicht müde war. Ich fuhr mir mit
den Fingern durch die Haare. Ich war ungefähr so verhaltensunauffällig wie Mr.
Bean als Geheimagent.
Schließlich
ging ich wieder ein paar Schritte die Straße entlang bis zur nächsten Ampel.
Ich wartete, bis es grün wurde, dann überquerte ich die Straße und schaute mir
angelegentlich die Auslagen eines kleinen Einrichtungsgeschäfts an, dessen
Fassade ochsenblutrot gestrichen war. Gedeckte Tische, reich beladen mit bunten
Gläsern und feinem Porzellan, Bestecke mit farbigen Griffen. Der richtige Laden
für eine Hochzeitsliste. Ich schüttelte widerwillig den Kopf. Wieder schaute
ich auf die Uhr. Wahrscheinlich war sie stehen geblieben. Die Zeit kroch wie
eine Schnecke. Unschlüssig ging ich wieder zur Ampel zurück.
Ein Flic
stand auf der anderen Seite und musterte mich mit prüfendem Blick. Sofort
fühlte ich mich schuldig. Ich war der Mann, der hier nicht hin gehörte. Ein
Mann, der Wohnungen ausspionierte und Böses im Schilde führte.
Mein Handy
klingelte. Es war Nathan. Der Polizist verfolgte interessiert jede meiner
Bewegungen.
»Na,
Antoine … Wie ist die Lage?« fragte Nathan kauend und räkelte sich. Offenbar
frühstückte er gerade. »Schon wach?«
»Hallo
Nathan«, sagte ich und hielt den Kopf nach unten. »Ich bin hier gerade in der
Rue de Varenne …« Es klang selbst in meinen Ohren wie Philipp Marlowe, der
schnellstmöglich untertauchen muß.
»Du bist
wo?« fragte Nathan erstaunt.
Ich bog in
eine Seitenstraße ein. »Paß auf, die Lage ist ernster, als ich dachte. Ich hab
nicht viel Zeit.« Ich drehte mich nach dem Polizisten um, um zu sehen, ob er
mich verfolgte, aber er war an der Straßenecke stehen geblieben. »Ich glaube,
nein, ich bin mir sicher, daß Isabelle heute heiratet. Ich hab mir die Adresse
der Russin rausgesucht und werde mit Isabelle reden, bevor es zu spät ist.«
»Wie kommst
du jetzt plötzlich darauf?« fragte Nathan.
»Die alte
Dame hat das beim ersten Mal erwähnt – von wegen, ob ich zu Dimitris Hochzeit
komme und so. Ist mir erst heute nacht wieder eingefallen.«
Nathan gab
einen ungläubigen Laut von sich.
»Ich muß
jetzt Schluß machen«, sagte ich. »Ich ruf dich später wieder an.«
Ohne seine
Antwort abzuwarten, drückte ich ihn weg und eilte wieder in die Rue de Varenne
zurück. Der Polizist war verschwunden. Es war Viertel nach acht, und ich würde
jetzt einfach klingeln. Ich würde mein Herz in beide Hände nehmen und klingeln,
und dann würde ich in die Gegensprechanlage sprechen und Isabelle bitten
herunterzukommen, weil ich ihr etwas sehr Wichtiges zu sagen hätte. Und sie
würde wenige Momente später das Tor aufmachen und mich ansehen und sagen »Da
bist du ja endlich!« Und dann würde ich ihre Hand nehmen und sie nie wieder
loslassen.
So hatte
ich mir das in etwa vorgestellt. Aber es kam natürlich ganz anders.
22
Ich
drückte zweimal auf den Messingknopf und wartete.
Es dauerte
eine Ewigkeit, dann knisterte es in der Gegensprechanlage.
»Hallo?«
Eine völlig verzerrte Stimme fand ihren Weg aus den Schlitzen des kleinen
akustischen Quadrates an der Seite des Tors. War das Isabelle? Ich beugte mich
der Stimme entgegen.
»Ja, hier
ist Antoine Bellier, der Mann aus dem Café. Sind Sie es, Isabelle?«
»Hallo?!«
fragte die Stimme lauter, es klang schriller als beim ersten Mal, irgendwie
aufgeschreckt, und ich ahnte schon, daß es nicht Isabelle war. »Wer ist denn
da?«
Und dann
kam der Satz, vor dem ich mich gefürchtet hatte, meine ganz persönliche Folter.
»Dimitri?
Dimitri, bist du es?« kreischte es in mein Ohr.
Ich kniff
die Augen zusammen und zog unwillkürlich die Schultern hoch. Warum konnte es
nicht einmal sofort klappen?
»Ich muß
mit Isabelle sprechen«, schrie ich statt einer Antwort.
»Hallo? Wer
ist da?« wiederholte die Alte stur. »Ich lasse keinen rein!«
Heute
morgen noch war ich die Ruhe selbst gewesen. Jetzt hörte ich das Blut in meinen
Ohren rauschen. Ich sah auf das große grüne Tor und
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