Die Frau meines Lebens
überlegte kurz, ob man es
eintreten konnte. Natürlich konnte man nicht, und ich zwang gewaltsam meinen
Puls herunter. Jeder Yogi wäre stolz auf mich gewesen.
»Madame
Antonova«, rief ich und heuchelte Begeisterung. »Hier ist noch mal Antoine. Wir
haben gestern abend telefoniert, erinnern Sie sich?«
»Nein.«
Ihre Stimme klang furchtsam und verwirrt. Wahrscheinlich war sie gerade erst
aus dem Bett geschlurft. »Was wollen Sie von mir?«
»Gar
nichts, Madame Antonova, gar nichts.« Ich beschloß ihr eine Freude zu machen.
»Ich bin ein Freund von Dimitri«, erklärte ich. Mittlerweile glaubte ich es
fast schon selbst. »Kann ich bitte Isabelle sprechen? Es ist dringend.«
»Ach so.«
Sie wurde zutraulicher. »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt. Gehen Sie
auch zur Hochzeit?«
»Ja!«
schrie ich verzweifelt. »Ist Isabelle da?« Meine Güte, wie groß war diese
Exil-Russinnen-Wohnung, daß Isabelle nichts von dem mitbekam, was sich im Flur
abspielte?
»Isabelle
ist eben los. Sie holt die Blumen«, schnarrte es durch den Lautsprecher.
»Was?«
schrie ich fassungslos.
Wann hatte
Isabelle das Haus verlassen? Ich hatte keine blonde Frau die Straße entlanggehen
sehen. War es dieser eine kurze Moment gewesen, als ich mit Nathan telefonierte?
Zut, alors! So eine verdammte Scheiße! Ich schlug mit der Faust
gegen die Mauer.
»Sie holt
Blu-men. Für die Hoch-zeit!« Olga schrie nun aus Leibeskräften. »Hören Sie
mich?« Wahrscheinlich hielt sie mich für taub.
»Ja, ja,
ich höre Sie. Kommt Isabelle noch mal zurück?«
Meine
russische Verbündete überlegte einen Moment.
»Nein«, entschied
sie dann. »Sie wollte noch etwas … etwas erledigen, glaube ich.«
Ich hätte
gern in die Mauer gebissen.
»Wo ist der
Blumenladen, wo?« rief ich.
»Gleich in
der Nähe, in der Rue de Bourgogne, glaube ich …«, entgegnete Madame Antonova.
»Danke«, schrie
ich und wollte schon wegstürzen, da fiel mir noch etwas ein.
»Madame
Antonova? Hallo? Sind Sie noch da?«
Die
Sprechanlage knisterte.
»Ja? – Wollen
Sie nicht vielleicht doch hochkommen, junger Mann, ich kann hier nicht mehr
lange stehen.«
Ich sah die
alte Dame auf Krücken vor ihrer Tür herumbalancieren und hoffte, daß sie noch
einen Moment durchhielt.
»Ein
anderes Mal, Madame … ein anderes Mal!« entgegnete ich freundlich und in der
trügerischen Annahme, daß dieser Tag niemals kommen würde. »Wo findet die
Hochzeit denn statt?«
Ich kauerte
über der Sprechanlage, begierig, jeden Ton aufzusaugen, der herauskam.
Olga
antwortete nicht sofort. »Die Hochzeit …«, wiederholte sie nachdenklich, und
ich verfluchte ihr Kurzzeitgedächtnis.
»In der
Sacré-Cœur«, sagte sie plötzlich mit lauter Stimme, und ich konnte nur hoffen,
daß sie nicht einfach die erste Kirche nannte, die ihr eingefallen war. Sie
kicherte glücklich. »Heute vormittag in der alten Zuckerbäckerkirche. Von dort
hat man den schönsten Blick auf Paris …«
»Alles klar«,
rief ich. »Ich muß los.«
»Grüßen Sie
Dimitri von mir …« Ihre Stimme zitterte. »Für mich ist das alles zu anstrengend …«
»Klar, wird
gemacht«, sagte ich und wünschte Dimitri auf den Mond.
23
Wie
ein Besessener rannte ich die Rue de Bourgogne entlang. Wo war dieser verdammte
Blumenladen, wo? Ich hatte etwas Zeit verloren, aber es war nicht
ausgeschlossen, daß ich Isabelle noch antraf.
Ich blickte
nach rechts und links, lief vorbei an einem kleinen Hotel, einer Boulangerie,
einem Traiteur, der noch geschlossen hatte, einem Gemüseladen, der schon auf
hatte, einer Drogerie, einer Bank, an der ein Mann stand, der sich Geld zog – kein
Blumenladen weit und breit. Vielleicht hatte sich die Alte das alles nur
ausgedacht und lebte in ihrem eigenen Traum vom Glück.
Aber diesen
Dimitri gab es jedenfalls. Und Isabelle gab es auch. Und da, links auf der
Ecke, war endlich auch der Blumenladen!
Ich schoß
hinein wie ein Rottweiler auf Hasenjagd, rannte gegen einen Blumenkübel, der
polternd umfiel, bremste ab und sah mich um. Der Laden war sehr übersichtlich,
und Isabelle war nicht drin. Statt dessen sah mich ein junges Mädchen mit einem
blonden Pferdeschwanz freundlich an.
»Na, Sie
haben es aber eilig«, sagte sie und richtete den Kübel wieder auf »Sind Sie auf
der Flucht?« Ihre Mundwinkel verzogen sich nach oben. Sie hatte reizende
Grübchen.
Nein, auf der
Jagd, hätte ich fast gesagt. Meine Affinität zu Blumengeschäften war hoch in
diesen Tagen, fand ich.
»Oh,
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