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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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und was.
    Wieder so eine Komplettbox, fragte sie dann, und Abramowski lachte. Offenbar hatte er gehört, dass ihr das Kichererbsen-Masala nicht geschmeckt hatte.
    Nichts aus dem Super-K, sagte er, aber sehr viel besser wird’s auch nicht.
    Er nahm eine Tüte, die er auf seinem Sideboard stehen hatte, zog eine Pappschachtel heraus und ging zur Mikrowelle neben dem Fenster.
    Fühlen Sie sich jetzt besser, sagte er, als er ein Plastikschüsselchen mit dem warmen Essen auf den Couchtisch stellte.
    Weiß nicht so recht, sagte Pola, ich glaube schon.
    Essen Sie erst mal Ihr Chili, sagte er.
    Während sie aß, beobachtete Pola ihren Gast­geber. Er wollte ihr etwas sagen, wusste aber wohl nicht, wie er es anfangen wollte.
    Pola dachte an den Weg über die Felder und wischte das Bild gleich wieder weg. Dann dachte sie an die Typen in den Vorstädten.
    Männer ohne Frauen, hatte Isabella gesagt, da kannst du nie wissen. Die meisten waren harmlos gewesen, aber nicht alle. Pola wusste nicht, ob Abramowski eine Frau hatte.
    Zsazsa kam offenbar mit ihm klar. Zsazsa kam nicht mit Männern klar, bei denen du nicht wissen kannst.
    Auf Zsazsa konnte sich Pola verlassen.
    Schmal war Abramowski, nicht sehr groß. Sah ­etwas besorgt aus, während er ernsthaft nachgrübelte, wie er anfangen sollte mit dem, was er ihr ­sagen wollte.
    Das Chili bestand aus Bohnen und Reis in einer roten Soße, es war fad, aber essbar. Was Zsazsa in den letzten anderthalb Tagen zu fressen bekommen hatte, wusste Pola nicht. Sie mochte nicht danach fragen. Wie er es gemacht hatte, war ihr unklar, weil Zsazsa bei den meisten Männern nur zwei Möglichkeiten kannte, Flucht oder Angriff, aber wie es aussah, hatte Abramowski sich um sie gekümmert, und sie hatte es geduldet. Sie war nicht unruhig und sah nicht aus, als ob ihr etwas fehlte.
    Die Leute vor der Stadt erzählten die wildesten ­Geschichten darüber, wie es da drinnen zugehen musste, und wenn von den Geschichten auch nur die Hälfte stimmte, hätte Pola ihren Hund eigentlich draußen lassen müssen. Genau bedacht, hätte sie auch selbst draußen bleiben müssen.
    Die ersten Monate hatte sie die Sache einfach weggeschoben.
    Die Sache, sagte sie anfangs, und später, als die ­Sache nicht mehr wegzuschieben war, sagte sie, das Kind.
    Platz war genug, man kam sich nicht in die Quere, man konnte sich daran gewöhnen, ohne Strom zu leben und dass das Wasser nicht aus der Leitung kam; dafür hatten sie Filter; die Leute waren ein bisschen paranoid, ansonsten nett und hilfsbereit, ein paar Dutzend Abenteurer und Spinner, fast alles Männer, die in den ehemaligen Neubaugebieten wohnten, den früheren Eigenheimen mit Garten und Kamin; von dort aus zogen sie durch die Villenviertel, wenn sie was brauchten, durch die Mietskasernen bei den zerfallenden Industrieanlagen, sie nahmen hier eine Matratze mit, da ein Paar Schuhe, einen Mantel, ein Federbett, manche teilten sich die Kleingärten oder bastelten in den Hallen und alten Fabrikgebäuden an ihren Kochkisten und Bienenhotels herum. Sie hielten Angeln in den Fluss, einen Waldsee oder den Berlenbach, manchmal holten sie etwas raus, und solange noch Munition da war, gingen sie auf die Jagd. Wenn sie Glück gehabt hatten, brannte am Abend auf ihrem Grillplatz ein Riesenfeuer, dann hatten sie einen Hirsch oder ein Wildschwein erwischt. Die meisten von ihnen lebten schon länger dort, sie waren vor der Stadt gestrandet und mussten eine Weile lang ziemlich gewütet haben, nachdem ihre Dörfer und Städte vom Netz genommen worden waren, sie hatten Autos ausgeweidet, Fensterscheiben zertrümmert und sich um die paar Frauen geprügelt, die es dort ausgehalten hatten. Aber inzwischen hatten sie damit aufgehört und sich regelrecht eingerichtet. Sie trafen sich in den Hobbykellern zum Billard oder zum Darts, ein paar hatten eine Band gegründet, manche züchteten Tauben oder hielten sich Enten, ansonsten war das ein ziemlich gemischter Haufen, der wenig gemeinsam hatte.
    Eines aber wollten sie alle um keinen Preis: in die Stadt. Weder in den ersten noch in sonst einen der Distrikte, wo die Stiftung sich ihre Reservearmee hielt, die Massen von armen Schweinen, die sie fütterte, rundum versorgte und je nach Bedarf busladungsweise zu den Einsätzen über Land kutschierte, ansonsten war das da drinnen nichts. Nichts als stillgestelltes Leben.
    Wer weiß, was

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