Die Frau mit dem Hund

sie denen in die Fertiggerichte mischen, dass die sich das gefallen lassen, war ein gängiger Spruch, und man erzählte sich, dass bei denen in den Supermärkten Listen hingen, auf denen ihre Events standen – die nächste Tour zum Wildwasser-Rafting, die nächste Blasmusik in der Meile, das nächste alpine Klettern, das nächste Eideidei, damit sie bloß nicht versehentlich zur Besinnung kamen, die armen Schweine.
    Gelegentlich musste einer von draußen mal rein, weil die Streichhölzer knapp wurden, der Zucker, das Salz, das Öl oder sonst was, und der war dann, wenn er mit der nächtlichen Beute zurückkehrte, der Held am Lagerfeuer, der schaurig von seinem Ausflug erzählte:
    Im Morgengrauen kommen die Lkws in die Stadt, alle dasselbe Stiftungslogo, noch im Dunklen beliefern sie die Supermärkte, die Boutiquen, Franchise-Imbisse, die Einrichtungsläden, alles. Alles aus einer Quelle. Alles von der Stiftung.
    Ihr Trick, so der Held, besteht darin, dass du in der Superette kein Stück Butter findest, keinen einzigen Liter Öl. Alles wird fix und fertig in die Stadt gekarrt und muss nur noch warm gemacht werden.
    Hier ging jedes Mal ungläubiges Murmeln durch die Versammlung.
    Du willst nicht sagen, dass –
    Oh doch, sagte der Held. Kein Pfund Mehl, keine Eier, kein Fleisch, kein Gemüse, kein Obst. Rein gar nichts, außer den Essensboxen.
    Und wie bist du dann an den Stoff gekommen?
    Das ist mein Geheimnis.
    Pola hatte genau zugehört, dann aber nicht einmal die Hälfte der Geschichten geglaubt, die so ein Held erzählte, wenn das Feuer am Abend brannte und der Schnaps herumging oder alle irgendein Kraut rauchten, das sie selbst angebaut hatten; trotzdem war ihr bange gewesen, als sie die Sache irgendwann nicht mehr hatte wegschieben können, weil aus der Sache das Kind wurde, das anfing, in ihrem Bauch herumzustrampeln.
    Isabella war froh gewesen, Pola in ihrer Nachbarschaft zu haben, aber eines Tages hatte Pola gesagt, solange du allein auf der Welt bist, kommst du schon irgendwie durch, und da hatte Isabella gewusst, dass Pola gehen würde.
    Sie hatte genickt. Sobald ein Kind im Spiel ist, sieht es gleich etwas anders aus, hatte sie gesagt, und in der Stadt gibt es Wasser und Strom.
    In der Stadt gibt es Krankenhäuser, hatte Pola ­gesagt.
    *
    Die Wäscherei, in der Jule Tenbrock seit Kurzem beschäftigt war, gehörte zu den kleineren des Distrikts, sie war ein Dienstleistungsunternehmen, das im ­Wesentlichen Laufkundschaft hatte und nur einen einzigen Großkunden von der Stiftung, den Klinikkomplex Doktor Riedinger, der ihr aber auch nicht mehr als sechstausend Wäschestücke täglich einbrachte. Zusammen mit dem arbeitsaufwendigen Alltagskram, den die Distriktbewohner brachten, fielen kaum zehntausend Stück täglich an. Jule hatte in ihrer Probezeit vier Wochen lang als Springerin ­ge­arbeitet, sie wusste, dass hier noch die uralte Wringmaschine im Einsatz war, die die Großwäscherei im vierten Distrikt ihnen überlassen hatte, als dort die Vakuumabsauger angeschafft worden waren; der Tumbler war der reinste Energiefresser, von einem Wärmetauscher konnte man hier nur träumen, Brauchwasseraufbereitung war auch nicht, also Tausende Kubikmeter Wasserverschwendung, und zwischen dem reinen und dem unreinen Bereich gab es nicht einmal eine Schleuse.
    Ein, zwei Großkunden mehr aus dem Klinik-Di­strikt, und die Lage könnte sich schlagartig ändern, die Stiftung würde aufmerksam auf das Unter­nehmen, man könnte etwas zur Verbesserung des Wäsche­­­flusses unternehmen, Batches statt der ver­alteten Wannen, eine effektivere Zentrifuge, eine Detachier­anlage, es gäbe viel zu tun, nur hatte Jule in den vier Probewochen rasch gesehen, dass all diese Dinge mit dem Chef nicht zu machen sein würden.
    Franz Mering war taub gegen Innovationsvorschläge, ob sie nun von der naseweisen kleinen Tenbrock kamen oder von einer anderen Stelle. Er war kurz angebunden und wimmelte Neuerungen nach Möglichkeit ab.
    Sie wären die Erste, die ich freisetzen würde, hatte er gesagt, als Jule ihn darauf hingewiesen hatte, dass die ständigen Wäschestaus vermieden werden könnten, wenn man sich zu einem neuen Muldensystem für die Mangel entschließen könnte.
    Jule hatte an die vielen Bonuspunkte gedacht, die ihr der Job einbrachte, und fortan keinen Vorschlag zur