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Die Frau mit dem Hund

Die Frau mit dem Hund

Titel: Die Frau mit dem Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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Tenbrock andächtig ein lackiertes Kästchen aus ihrem Glasschrank nahm und öffnete. Sie sah entrückt aus, als vollführte sie eine heilige Handlung.
    Tee, verstand Pola noch, und danach verlor sie den Faden.
    Adventsfreude, Tender Love, Wintersonne, Kiss me, sagte Jule.
    Was, sagte Pola.
    Kaminzauber, sagte Jule. Bratapfel. Süße Verführung.
    Nein, sagte Pola. Sie zitterte und zog ihren Mantel fest um die Schultern.
    Wuff, machte Zsazsa und erinnerte sie daran, dass sie rausmusste.
    Jule war enttäuscht. Sie sagte sich, dass Teezeremonien etwas für den Abend sind, etwas für die magischen frühen Abendstunden. Zeit & Genießen.
    Nichts für den frühen Vormittag.
    Tja dann, sagte sie, nachdem sie die Wohnungstür zugezogen und zweimal den Schlüssel herumgedreht hatte. Sie steckte den Schlüssel in ihre Tasche, machte sorgfältig den Reißverschluss zu und sagte, dann mal alles Gute.
    Einen Moment noch, sagte Pola. Sie blieb auf dem Treppenabsatz stehen und hielt sich am Ge­länder fest. Dann setzte sie sich auf die Stufe, auf der Jule Tenbrock sie am Abend zuvor gefunden hatte, Zsazsa setzte sich neben sie, und beide krochen in ihren unförmigen Mantel und verwandelten sich in das graue Bündel, das sie am Vorabend gewesen waren. Wesen mit unsichtbarem Hund.
    Lassen Sie sich nicht zu lange Zeit, sagte Jule, zeigte vage auf die Tür von Abramowski und ging.
    Wenn nicht der, würde der Hausdienst sich um das Problem kümmern. Sie war aus der Sache raus.
    Aber sie fühlte sich dabei nicht wohl.
    *
    Als Pola Nogueira aufwachte, sah eine Frau mit hochgesteckten Haaren sie an, die Augen weit aufgerissen. Sie sah erschrocken aus. Im Mund hatte sie ein langes, dünnes Stöckchen. Pola überlegte, was sie mit dem Stöckchen im Mund wollte. Dann wurde das Gesicht undeutlich, und schließlich sah sie es doppelt und in weiter Ferne.
    Kennen Sie Audrey Hepburn, sagte neben ihr eine Männerstimme.
    Pola lag nicht auf dem Boden, weder auf den beiden Matratzen in ihrem Geräteschuppen noch im Wald, sondern in einer Art Bett, und sie war zugedeckt. Daneben saß der Mann zu der Stimme auf ­einem Stuhl.
    Die Frau mit den hochgesteckten Haaren und dem Stöckchen im Mund war schwarz-weiß und ein Poster, stellte Pola fest.
    Es war mühsam, sich zurechtzufinden. Sie hatte im Übrigen kein Verlangen danach, sich zurechtzufinden, zurückzufinden zu einer Schwerkraft, die ­jemand außer Kraft gesetzt hatte, während sie geschlafen hatte. Sie wollte weiterschlafen, einfach nur schlafen.
    Sie sind krank, sagte der Mann. Und schwanger sind Sie auch, aber das wissen Sie ja.
    Pola setzte sich mit einem Ruck auf, sah den fremden Mann neben ihr mit aufgerissenen Augen an und fragte, wo ist der Hund.
    Keine Sorge, sagte der Mann, kommen Sie erst mal zu sich.
    Aber der Hund, sagte Pola. Sie zitterte. Zsazsa. Was haben Sie mit Zsazsa gemacht.
    Ich kümmere mich darum, sagte der Mann.
    Timon Abramowski, setzte er hinzu.
    Pola versuchte mit aller Kraft aufzutauchen und machte die Augen ein paarmal so weit auf, wie sie konnte, um sie von verschwommen auf klar umzustellen.
    Der Mann war eine entfernte, sanfte Stimme.
    Zsazsa kam unter einem Tisch hervor, unter dem sie geschlafen haben musste. Sie reckte sich aus­führlich, gähnte zweimal, wedelte mit dem Schwanz und stupste Pola mit der Nase gegen den Arm. Sie war unternehmungslustig. Und es war ganz sicher Zsazsa, auch wenn Pola sie doppelt und unscharf sah.
    Wenn ich dich nicht hätte, murmelte sie und ließ sich wieder zurücksinken.
    Die Frau mit den hochgesteckten Haaren, die von der Wand auf sie herabsah, kam ihr bekannt vor, aber sie konnte sich nicht erinnern, wo sie sie schon einmal gesehen hatte. Mit dieser komischen Frisur und mit dem Stöckchen im Mund.
    Komisches Stöckchen, dachte sie noch, und dann war sie wieder weg.
    Als sie zum zweiten Mal wach wurde, saß Zsazsa friedlich neben dem Mann vor einem Bildschirm. Er verfolgte auf dem Bildschirm irgendetwas, das Pola nicht sehen konnte, und Zsazsa schaute ihn an.
    Dann drehte sie sich um, sah, dass Pola wach auf der Couch lag, ging zu ihr und legte ihr eine Pfote auf den Arm.
    Gut geschlafen, sagte Abramowski.
    Wie ein Stein, sagte Pola.
    Anderthalb Tage durch, sagte er. Am Stück. Und für den Fall, dass Sie jetzt Hunger haben: Ich hab uns was zu essen besorgt.
    Pola überlegte, was sie zuletzt gegessen hatte. Wann

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