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Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Titel: Die Frau mit dem Muttermal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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bis er sie wieder verschwinden lassen konnte.
    Im Übrigen hatte er das Gefühl, sein Gehirn sei der Tummelplatz der unterschiedlichsten Gedanken und Ideen. Während er neben Ulrike auf dem Sofa bei einem Fassbinderfilm saß, versuchte er einzuschätzen, wie es wohl weitergehen würde. Dieser Albtraum nahm kein Ende, und ein Ausweg war nicht in Sicht. Seine Überlegungen schwankten von einem Extrem zum anderen wie Schilf im Wind, und nach einer Weile wünschte er sich nur noch, das Ganze aus seinem Gehirn verbannen zu können; jedenfalls für kurze Zeit, einfach um eine gewisse Atempause zu haben.

    Was seine Wünsche und Hoffnungen betraf, war die Lage sehr viel klarer. Von allen denkbaren Entwicklungen war die für ihn wünschenswerteste natürlich die, dass Biedersen ganz einfach die Sache in die Hand nehmen würde.
    Diese verrückte Frau ausfindig und sie ein für alle Mal unschädlich machte. Ohne Einmischung von Innings’ Seite.
    Bei dem Gedanken daran, was im Restaurant herausgekommen war – was etwa die Telefonmusik betraf –, wäre das doch eigentlich nicht so überraschend?
    Immer wieder kam Innings zu diesem Ergebnis, aber seine Beurteilung der Lage war voller Hoffen und Bangen. Eigentlich  – und das wurde mit der Zeit das Einzige, was ihn etwas trösten konnte –, eigentlich gab es nur eine Sache, mit der er zweifellos rechnen konnte.
    Dass irgendetwas bald passieren würde.
    Diese Wartezeit würde ihr Ende nehmen.
    In ein paar Tagen – vielleicht ein paar Wochen – würde sie vorbei sein.
    Alles andere war nicht auszudenken.
     
    Angesichts dieser Hoffnungen – die Innings bereits hegte, als er am Freitagabend ins Bett ging – bedeutete es natürlich eine gewisse Belastung, wenn stattdessen gar nichts passierte.
    Den Samstag und den halben Sonntag über hatten sie Gäste  – Ulrikes Bruder mit Ehefrau und zwei Kindern –, und die Bewirtung und die Gespräche lenkten ihn ein wenig ab. Zumindest für eine Weile. Um so schlimmer war es, als die Gäste abgefahren waren und sich am Sonntagnachmittag wieder Ruhe über das Haus senkte.
    Und noch sehr viel schlimmer wurde es am Montag, der, wie es schien, in einer Art träger und gleichgültiger Bedrohung dahinfloss. In der Nacht zum Dienstag machte er fast kein Auge zu, und als er gegen vier Uhr nachmittags die Redaktion verließ, hatte er das Gefühl, dass doch der eine oder andere Mitarbeiter sich seine Gedanken machte, was denn nur
mit ihm los sei. Ulrike gegenüber hatte er zugegeben, dass er sich auf Grund des Mordes an seinen beiden alten Kameraden etwas beunruhigte, und sie schien das als eine ziemlich logische Erklärung für sein Verhalten aufzunehmen.
     
    Am Dienstagabend kam dann endlich ein Anruf von Biedersen. Irgendwas war los, wie er erklärte, aber es gäbe für Innings keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Zumindest noch nicht. Mehr sagte er nicht. Er versprach nur, von sich hören zu lassen, und auch wenn das Mitgeteilte insgesamt Innings’ innersten Hoffnungen entsprach, führte das Gespräch zu einer weiteren schlaflosen Nacht.
    Natürlich reagierte auch sein empfindlicher Magen, und als er sich am Mittwochmorgen krankmeldete, hatte er zumindest eine legitime Entschuldigung.
    Möglicherweise empfand er sogar eine Art abgestumpfter Ruhe, als er sich mit der Zeitung hinsetzte, nachdem Ulrike und die Kinder gegangen waren, doch die verließ ihn schon bald wieder. Er musste zugeben, dass er unbewusst wohl gehofft hatte, in den Schlagzeilen etwas zu finden – dass man eine tote Frau unter mysteriösen Begleitumständen in Saaren gefunden hätte oder etwas Ähnliches –, aber natürlich berichteten sie mit keiner Zeile über derartige Geschehnisse. Und selbstverständlich war es vollkommen undenkbar, dass die Morgenzeitungen so etwas bereits bringen würden. Biedersen hatte gegen halb neun angerufen. Ganz gleich, was danach auch geschehen sein mochte, die Zeitungsleute konnten es noch gar nicht in dieser kurzen Zeit im Blatt haben. Innings arbeitete schließlich selbst seit bald dreißig Jahren bei dem Verein, deshalb müsste er es eigentlich wissen.
    Größere Chancen gab es bei den Rundfunksendern. Er stellte das Radio an und versäumte während des ganzen Vormittags keine einzige Nachrichtensendung. Aber nichts. Kein Wort.
    Es läuft was, so hatte Biedersen sich ausgedrückt.

    Aber was?
    Ich lasse von mir hören.
    Und wann?
    Eine Minute folgte der nächsten. Eine Stunde der nächsten, und erst um fünf nach zwölf

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